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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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auf eigenen Beinen stehen konnte, und sich in seinen strengen Respekt vor meiner Eigenständigkeit zurückgezogen, den er für den größten Beweis seiner Liebe hielt.
    Barbara sprang in die Lücke und hängte mir die regenschwere Lederjacke um, unter der es wenigstens warm war. »Hast du mir einen Schreck eingejagt!«, raunte sie.
    Richards Augen wurden schmal. Er drehte sich plötzlich um und lief zurück. Direkt ins Feuer!
    »He!«, rief ich.
    Aber Barbara hielt mich fest, und mit dem Hund im Arm konnte ich keinen Judogriff ansetzen. »Richard!«
    Als ich mich endlich losgerissen hatte, war er an der Stelle angelangt, wo der Blitz mich umgehauen hatte. Er bückte sich, hob etwas auf und wich zurück. Auf der Spur, die wir in die Hagelschicht gezogen hatten, kam er wieder zu uns, die alte dünnläufige Parabellum in der Hand. Das Poloshirt klebte dunkelgrün an seinem Leib, die Hosen pappten, die handgemachten italienischen Slipper würden nie wieder dieselben werden.
    »Los!«, sagte er und nahm mir Cipión ab. »Wir müssen unsere Autos von der Zufahrt schaffen, sonst kommt die Feuerwehr nicht ran.«
    »Die Feuerwehr kann eh nichts mehr tun«, sagte Barbara. »Da brennen sie weg, eure angeblichen Beweise!«
    »Es ändert nur nichts, Barbara«, sagte Richard. »Es ändert nichts an der Untat!«
    Das war wohl der Moment, in dem Barbara begriff, dass Vicky, wenn er überlebte, auf der Krankenstation einer Justizvollzugsanstalt aufwachen würde. Mit einem Schlag schnappte sie Richard die Pistole aus der Hand. Sie war einfach schneller als er, und dass jemand schneller war als Richard, kam selten vor. Er griff ins Leere beim Versuch, die Pistole zurückzuholen, sah sich mit der Mündung und dem kecken Korn konfrontiert und richtete sich auf. Selbstverständlich wich er keinen Schritt zurück.
    Nicht lachen!
    Auch wenn mein Zippo gar zu tropftrübe dreinschaute mit seinem vom Regen gescheitelten Haupthaar und dem triefenden Bart. Er nieste und blickte mit seinen Haselnussaugen abwechselnd auf die Pistole und auf Barbara.
    »Und nun?«, fragte Richard.
    »Du wirst niemandem sagen, was wir in der Laube gesehen haben!«, fuchtelte Barbara. »Versprich es mir!«
    »Versprochen«, antwortete Richard.
    »Du würdest doch jetzt alles versprechen, du Feigling!«
    »Ja!«
    »Von wegen niemals Rache! Dein Vater hat die Religion benutzt, um sich zu rächen, und du tust es amtlich mit Polizei und Haftbefehl. Du willst mich vernichten, weil ich dich an die Zeit erinnere, wo du noch Träume hattest, wo du Musiker werden wolltest, wo du mutig und freiheitsliebend warst. Als wir zusammen jagen waren und die Gesetze gebrochen haben.«
    »Du wirst mir wohl nie verzeihen«, sagte Richard, »dass ich nicht in Frommern geblieben bin.«
    »Davongelaufen bist du!«
    »Du hättest doch mitkommen können aufs Internat nach Stuttgart und hinaus in die Welt, wo wir so sein durften, wie wir sind. Aber du meintest, du müsstest deiner Mutter auf dem Hof helfen. Du hattest Angst, Bullwinkle. In Wahrheit hast du dich nie rausgetraut aus deinem Tal. Und weißt du, warum? Weil du dich hier nach deinen eigenen Regeln durchmogeln kannst. Jürgen richtet’s im Ortsrat und mit seinen Skatbeziehungen zur Polizei und zur Zeitung, und der Frau des Staatsanwalts gibt man Rabatt. Das hat euch immer von uns Webers unterschieden: Um Recht und Ordnung habt ihr euch einen Dreck geschert, Hauptsache, ihr hattet euren Spaß.«
    »Wir haben wenigstens Spaß, Rocky.«
    »Ach ja? Lisa ist angeschossen, Victor ringt mit dem Tod, meine Mutter sitzt im Knast, mein Vater ist tot. Ist es das, was du unter Spaß verstehst?«
    Sie fixierten sich, sie mit der Pistole auf seiner Brust, er mit dem Hund unterm Arm. Der Regen rann ihnen in die Augen, die Tropfen sprangen von Schultern und Armen, hin und wieder hüpfte ein Hagelkorn von ihren Köpfen, der rote Schein der brennenden Hütte umloderte sie.
    »Ich habe deinen Vater nicht umgebracht, Rocky. Und Victor hat Jannik nicht umgebracht. Maxi hat Lisa keinen Skorpion in den Schuh gesetzt, und Jacky hat nicht absichtlich auf sie geschossen. Wir töten nicht. Das haben wir nicht nötig.«
    »Und warum setzt du mir dann die Pistole auf die Brust? Gib acht, Bullwinkle. Ein Schuss könnte sich lösen! Und dann wäre wieder einer tot. Was für ein Spaß!«
    Ich überlegte, wie nah ich an Barbara heranmüsste, um ihr die Pistole aus der Hand zu kicken, und ob ich den Kick überhaupt hinkriegen würde mit meinem angeschossenen

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