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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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ich hätte Martinus vergiftet?«
    »Das habe ich, ehrlich gesagt, von Anfang an gedacht. Dass du die Kenntnisse dazu hast, ist unabweisbar.«
    Mein Handy brummte in der Jackentasche. Ich fischte es aus der Nässe. Es war nicht Richard. Es war eine Nummer, die mir bekannt vorkam. Ich klappte es auf.
    »Zittel hier«, meldete sich der Leichenfledderer von Balingen. »Frau Scherz?«
    Der Schalksbach floss in Kaskaden über die Straße hinweg statt unter ihr hindurch. Ich musste das Lenkrad mit der einen Hand, die ich zur Verfügung hatte, tierisch festhalten. »Was gibt’s, Herr Professor?«
    »Doktor reicht. Ich wollte mich nur erkundigen, wie weit Sie mit Ihrem Artikel über mein Buch sind und ob Sie noch Fragen haben.«
    »Nein.«
    »Haben Sie schon angefangen?«
    »Nein, noch nicht.« Das Wasser riss den Lenker nach links. Ich bremste. »Kann ich Sie später zurückrufen?«
    »Aber selbstverständlich. Rufen Sie an, wann immer es Ihnen passt.«
    Als ich hinter der Brücke Richtung Zeitentalhof abbog, hörte der Regen plötzlich auf. Die Sonne blitzte unter dem Wolkenrand hervor. Ein feierliches Glitzern spannte sich über Büsche, Weg, Bäume und Gras und sprühte aus Myriaden von Tröpfchen, die der Wind aus den Pappeln schüttelte. Auf den Wiesen schillerten Pfützen. Das Blaulicht der Feuerwehr blitzte durch die Baumstämme jenseits des rollenden Flusses und brach sich in einer öligen Qualmwolke.
     
    Während Barbara sich umziehen ging, bot Jacky mir trockene Wäsche, einen Sweater und eine alte Kargohose an, die ich mir im blutbefleckten Badezimmer anziehen ging. Maxi rubbelte Cipión trocken. Samanta knurrte in ihrem Korb, war aber zu faul aufzustehen. Cipión blickte taktvoll weg. Armer Kerl. Was der alles ausstehen musste!
    Jacky hatte ein Bügelbrett aufgestellt und war dabei, die Taschen meiner nassen Anzugjacke auszuräumen: Handy, Pickset, Geldbeutel, eine durchweichte Schachtel Zigaretten und ein gefaltetes dünnes, aber hartes Papier, das aus einer Packung Paracetamol stammte. Ich war drauf und dran, es zusammen mit der nikotindurchtränkten Zigarettenschachtel im Mülleimer zu versenken, als mir einfiel, dass es den Dreck von Martinus’ Fingernägeln enthielt. Ich steckte es ins Picksetetui.
    »Du kannst dir eine drehen, wenn du das kannst«, sagte Jacky mit ihrem Diskantcharme und deutete auf ihren Beutel Feinschnitt.
    Jemand, vermutlich sie, hatte den Küchentisch aufgeräumt. Ich setzte mich auf meinen Stammplatz neben der Tür, wo die Zeitung und Zittels Buch lagen, und drehte Tabak ins Blättchen. Unter dem Bügeleisen zischte mein Jackett, der Geruch nach angesengtem Stoff füllte die Küche. Müdigkeit sank mir in die Glieder.
    Einen Moment noch, dachte ich, nur einen Moment dazugehören, eine Familie haben, geborgen sein in der Sitzordnung am Küchentisch, den immer gleichen Streitereien. Glücklich sein! Jacky bügelte meine Jacke. Maxi spielte mit dem Tischstaubsauger. Eine Fliege kreiste um die Deckenlampe. Auf dem Tisch das Kuhhalfter, in der Schüssel auf dem Schrank der Hase in der Milchbeize. Morgen oder übermorgen würde man ihn in Butter braten. Ein einfacher Tageslauf. Die Rinder, der Laden, das Gelächter.
    Das Gleichgewicht der Welt mit der Hahn’schen Neigungswaage auf dem Deckel fiel mir ins Auge. Ich befeuerte meine Zigarette, klappte mein Handy auf, suchte die Nummer und rief Zittel an.
    »Ich wollte Sie natürlich nicht drängen«, entschuldigte er sich. »Man ist halt ein wenig eitel, wenn man so ein Buch geschrieben hat. Es ist wie ein eigenes Kind, verstehen Sie. Und dem möchte man zu einem guten Start verhelfen. Ich wollte Ihnen vorschlagen, dass wir uns dieser Tage mal im Waagenmuseum treffen. Ich könnte Ihnen ein bisschen was erklären und Fragen beantworten. Wie wäre es morgen um zehn?«
    »Wie ich höre, haben Sie nun doch Zweifel bekommen am natürlichen Tod von Martinus Weber.«
    Maxi hob den Kopf. Jackys Bügeleisen verhielt.
    »Oh!«, sagte Zittel. »Das wissen Sie schon? Sie sollen ja eine ganz ausgefuchste Journalistin sein. Wegen Ihnen musste seinerzeit der Kultusminister zurücktreten. Da staunen Sie, was ich alles weiß! Allerdings hatte ich gestern Abend noch keine Ahnung, welche Prominenz mir gegenübersitzt. Ich hatte nur den Verdacht, dass es Ihnen eigentlich nicht so sehr um mein Buch ging, so wie Sie mich über die Landmaschinenunfälle ausgefragt haben.«
    »Ich habe Sie nicht ausgefragt!«, versuchte ich richtigzustellen. Aber Zittel war nicht

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