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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Bein.
    »Auch wenn du es noch so gerne hättest, Rocky«, ratzte Barbara über Kimme und Korn hinweg, »dass wir Hexen vom Zeitental auf dem Scheiterhaufen brennen, du wirst es nicht schaffen. Das hat auch dein Vater nicht geschafft, obwohl er sich nicht entblödet hat, Luther zu zitieren!«
    »Hexen sind zu töten«, antwortete Richard. »Das sagt Luther fünf Mal in seiner Predigt vom 6. Mai 1526.«
    »Und als Maxi zehn Jahre alt war, hat dein Vater ihr von der Hexenwaage erzählt, nur weil sie den sauren Träubleskuchen von Lotte nicht essen wollte. Wenn sie nicht äße, dann wäre sie zu leicht für die Hexenwaage und käme auf den Scheiterhaufen.«
    Gewogen und zu leicht befunden!, flatterte mir durch den Kopf. Das galt nicht nur für die Söhne von Nebukadnezar, sondern auch für Hexen.
    »Und jetzt willst du mir weismachen, dass Victor ein Mörder ist!« Sie stieß ihm die Pistolenmündung ins Brustbein.
    »Und deshalb willst du mich erschießen? Ach, Bullwinkle, du kannst dir die Welt nicht immer selber stricken.«
    Mein Herz zuckte. Gleich hatte Richard sie dort, wo er sie haben wollte. Wenn Barbara nicht sehr aufpasste, dann würde sie abdrücken!
    »Aber damit kannst du Victor nicht retten«, sagte er beinahe lächelnd. »Wenn du mich abknallst, dann kommt ein anderer und macht weiter. Webers gibt es zu Tausenden. Und wir haben alle keinen Spaß daran, dass jemand die Gesetze übertritt.«
    »Unser Held!«, flötete Barbara spöttisch. »Opfert sich für Recht und Ordnung. Aber pass auf! Wenn ich abdrücke, dann bist du tot und kein anderer.«
    Richard hob das Kinn und lächelte spöttisch. »Quod erat demonstrandum.«
    Ich kickte.
    Die Waffe flog in hohem Bogen durch den Regen, der mittlerweile senkrecht herunterrauschte, purzelte ins Gras, sprang hoch und verschwand über die Uferböschung in der gurgelnden Eyach.
    Barbara schrie auf und hielt sich das Handgelenk. Das einst gebrochene, wie mir einfiel.
    Richard stand einen Augenblick verblüfft da, dann strich er sich die Haare aus dem Gesicht und überreichte mir Cipión mit der Bemerkung: »Ich hoffe, Barbara wird es dir danken. Und … und hoffentlich behandelt sie dich gut!«
    Damit wandte er sich ab und marschierte davon.
    Ich griff in die Jackentaschen. Das Magazin der Parabellum befand sich in der linken.
     

35
     
    Niemals wäre Richard so verantwortungslos gewesen, jemanden in Gefahr zu bringen, dass er einen Menschen tötete. Er hatte das Magazin bei seinem nervenaufreibenden Spiel, mit der Waffe im Gartenhäuschen aus dem Kolben gezogen. Er hatte es darauf angelegt, dass Barbara ihm die Waffe wegschnappte. Er hatte es wissen wollen: ob seine alte Freundin Bullwinkle einen Totschlag im Affekt an ihm begehen würde. Ob sie töten konnte.
    Nur, dass ich das nicht hatte sehen wollen.
    Und jetzt rannten wir über die Weide, denn das Blaulicht der Feuerwehr blinkte schon übers Tal hinweg. Wir schlitterten durch zentimeterdicke Hagelschichten und patschten durch Teiche. Ein Feuerwehrmann erwartete uns an den Autos, die sich hintereinander vorm Weidentor reihten. Der Feuerwehrwagen stand oben an der Abfahrt.
    »Ich fürchte, ich kann nicht fahren«, sagte Barbara, sich das Handgelenk reibend. Es war ohnehin ausgemacht. Ich hatte mich ja eben für sie entschieden. Ich drückte ihr Cipión auf den Schoß und setzte mich hinters Steuer des Sprinters. Im Rückwärtsgang schlingerten wir durch Hagelhaufen, Schlamm und Wasser, das in Bächen die Fahrspuren herabkam. Ich hatte, um die Spur zu halten, nur die Rückspiegel links und rechts, in denen sich das Blaulicht der Feuerwehr in Hunderten von Regentropfen brach.
    »Sag, hast du wirklich geglaubt, ich würde schießen?«, fragte Barbara, als wir endlich auf Asphalt rollten. »Ich hätte dich für cooler gehalten. Die Waffe war doch gar nicht geladen.«
    »Ja, ich weiß!«, bäffte ich. »Aber ich wollte halt auch ein bisschen was beisteuern!« Eine Tanne hatte sich halb über die Zeitentalstraße gelegt. Ich kurvte durch den Matsch des durchweichten Straßenrands. »Außerdem warst du im Begriff, dich selbst zu widerlegen. Richard ist ein Meister darin, jemanden dazu zu bringen, dass er sich in Widersprüche verwickelt. Und wenn du abgedrückt hättest, hättest du zugegeben, dass auch du zu Mord und Totschlag fähig bist, und sei es nur, um deinen Sohn zu retten.«
    Sie lachte kurz. »Dann hast du eigentlich mich retten wollen? Nicht sehr schmeichelhaft.«
    So viel zum Dank.
    »Denkst du etwa auch,

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