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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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der Mann, der sich von Gesprächspartnern beirren ließ.
    »Natürlich haben wir von allen Leichen Material aufgehoben. Deutsche Gründlichkeit. Man weiß ja nie, ob man mit neuen Analysemethoden noch etwas herausfinden kann. Derzeit können wir Dutzende von Tötungsdelikten aufklären, weil wir das Genmaterial mutmaßlichen Tätern zuordnen können, und das auch noch nach zwanzig Jahren. Ein paar Hautschuppen genügen.«
    »In drei der Fälle«, sprang ich dazwischen, »sind Klageerzwingungsverfahren anhängig. Dahinter steckte Ihr väterlicher Freund, Martinus Weber.«
    »Stimmt. Vor einem Jahr ist in unserer Sonntagsbeilage ein Artikel über vier ähnlich gelagerte Fälle erschienen, und daraufhin wollte Martinus von mir wissen, ob irgendetwas auf ein Gewaltverbrechen hindeute. Er hatte die jungen Männer ja gekannt. Aber wenn Sie mich nach Gemeinsamkeiten fragen, nach dem, was diese Todesfälle verbindet, im Mähdrescher, in der Stotzinger Mühle, im Häcksler, im Gülletank …«
    »Und im Siloballen letztes Jahr. Und jetzt den in der Eyach mit den Rindern!«
    »Wenn Sie mich nach Gemeinsamkeiten fragen, kann ich nur sagen: keine, Frau Sterz! Das habe ich auch Martinus gesagt. Was willst du, habe ich zu ihm gesagt, fünf tragische Todesfälle, bei denen vermutlich Alkohol im Spiel war, in fünf Jahrzehnten, das ist nicht einmal statistisch gesehen besonders auffällig. Im Autoverkehr sind in derselben Zeit wesentlich mehr junge Männer ums Leben gekommen.«
    »Es sind genau genommen sechs«, bemerkte ich. Aber Zittel hätte man die Füße in Eimern einbetonieren können, er hätte sich nicht beirren lassen.
    »Natürlich könnte man noch ein paar Analysen machen, habe ich Martinus erklärt, das Material ist ja noch da. Wenn ein Staatsanwalt einen Antrag stellte und die Ermittlungen wieder aufnähme, dann fände man das eine oder andere noch heraus, Betäubungsmittelkonsum, Krankheiten, Genschäden, dass einer der Jungs gute Aussichten hatte, an Alzheimer zu sterben, und so weiter. Aber eine Tötungsabsicht, nein. Das Ergebnis neuer Untersuchungen wäre nur, dass sich die Eltern der unglücklichen Buben weiter quälen. Eltern neigen dazu, Fremdverschulden anzunehmen, wenn ihre Kinder sich umgebracht haben.«
    Ich sah, wie Jacky eine schöne lange Falte in den Ärmel bügelte, und machte wilde Gesten. Sie erschrak, strich den Stoff glatt und bügelte die Falte aus.
    »Bei der Häckslergeschichte, 1997, da hätte ich damals auch gern mehr gewusst, das können Sie mir glauben, Frau Herz. Wie betrunken muss ein junger Mann eigentlich sein, damit er in einen Häcksler kriecht? Da stellen sich schon Fragen. Und da gab es diese Kärtchen mit bedrohlichen Bibelsprüchen.«
    »Was?« Ich fuhr senkrecht aus meinem Tran. »Mahnkärtchen?«
    »Aber mein Sohn hat auch schon solche Kärtchen bekommen und erfreut sich dennoch bester Gesundheit.«
    Barbara betrat die Küche und übernahm die Regie über meine Sinne. Mit einem Blick erfasste sie die Lage: Jackys Eifer, etwas wieder gutzumachen, Maxis Wartestand, meine Gefangenschaft am Telefon.
    »Wissen Sie«, posaunte Zittel in mein Ohr, »ich habe damals durchaus gedacht, der Junge könnte in Selbsttötungsabsicht gehandelt haben. Junge Männer neigen zu hochsymbolischen Handlungen. Und er hatte wohl ein paar Schwierigkeiten mit sich. Die Eltern haben ihn als gläubigen Jungen beschreiben, Bibelkreis, Sonntagsschule, Kirche, Stunden. Er könnte sich als sündig und schmutzig empfunden haben. Vielleicht wollte er seinen Körper vollständig zerstören.«
    Von welchem der Jungen redete er eigentlich? Von dem im Gülletank?
    »Der Brand im Hüttchen ist gelöscht«, bemerkte Barbara.
    »Herr Doktor!«, sagte ich ins Telefon.
    »Was die jungen Männer sich nie klarmachen, ist, in welcher Verzweiflung sie ihre Angehörigen zurücklassen. Die Eltern werden schier verrückt über der Frage, was sie falsch gemacht haben.«
    »Herr Doktor! Hören Sie! Ich muss Schluss machen. Wir sehen uns morgen im Waagenmuseum.«
    »Ach so, ja, gut! Und grüßen Sie mir Herrn Weber. Richten Sie ihm doch bitte aus, dass es mir leid tut. Sie haben seine Mutter festgenommen, habe ich gehört. Aber ich hatte leider keine andere Wahl, ich musste den Staatsanwalt anrufen, dazu bin ich als Arzt verpflichtet, wenn es nur die geringsten Unklarheiten gibt.« Auch einer, der sich an dem arroganten Weber-Sohn ein bisschen hatte rächen wollen.
    »Herr Dr. Zittel«, sagte ich. »Ich muss wirklich. Und Gruß an

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