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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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einen Mordvorwurf nichts mehr erwidern kann, kann sich auch nicht in Widersprüche verwickeln. Außerdem hätte Vicky offenbaren müssen, dass er mit einem Minderjährigen ohne Einwilligung der Eltern nach Gran Canaria geflogen war. Vielleicht fühlte er sich sogar schuldig, zumindest sündig. Womöglich fürchtete er, selbst des Mordes angeklagt zu werden. Schließlich passte er ins bekannte Raster der jungen Männer, die aus sexuellen Motiven Buben oder Mädchen töten. Ich vermute, er wollte erst einmal nachdenken. Auf mich hat er tatsächlich ziemlich bedrückt gewirkt, irgendwie abwesend. Als ich ihn nach Martinus’ Schuld fragte, hat er sich hinter Bibelsprüchen verschanzt. Auf seinem Konto werden sich die Abbuchungen für die Flüge und das Hotel übrigens nachweisen lassen, und wenn wir Glück haben, hat er sich seinen Schwestern gegenüber deutlicher geäußert.«
    »Glück?« Richard schnaubte.
    »Sie wirkten so verstockt am Samstagvormittag. Aber vielleicht haben sie sich gegenseitig, unterstützt von Victor, auch nur klargemacht, dass es Jannik Filser ist, den Maxi entdeckt hatte. Die Bikerstiefel. Und das hat sie bestürzt.
    Zurück zu deinem Vater. Er ist nach Hause zurückgekehrt, womöglich sogar kurz bevor du an der Haustür geklingelt hast. Aber er wollte sich niemandem zeigen. Oder er war tatsächlich noch nicht wieder zu Hause, denn er musste noch etwas Ordnung in der Gartenlaube machen.
    Alle anderen Angelegenheiten hatte er seit geraumer Zeit geordnet. Die Waagen befanden sich im Museum. Vielleicht hatte er ursprünglich noch vor, zu Zittels Buchpräsentation zu gehen. Wer weiß. Vielleicht hatte er aber auch Sorge, dass Janniks Leiche entdeckt würde, bevor die Rinder über sie hinweggingen, und damit er selbst als sein Mörder. Seit mein Artikel erschienen war, hielt er Entdeckung für nicht mehr ausgeschlossen. Wer solche Verbrechen begeht, ist notgedrungen Egozentriker. Er muss die allerkleinsten Zeichen auf sich beziehen. Vielleicht hatte er sogar Victor gesehen und glaubte sich kurz vor der Entdeckung. Ein paar Schlucke aus seinem Flachmann genügten. Er ging nach oben und legte sich ins Bett und wartete auf den Tod. Der kam böser, schmerzhafter und erbarmungsloser, als er es sich vorgestellt hatte. Er krümmte sich, übergab sich, schnappte nach Luft, kam nicht mehr zum Beten. Aber er hatte Glück, dass es schnell ging, weil sein Herz versagte.«
    »Mein Vater hätte niemals Selbstmord begangen.«
    »Die Bibel verbietet Selbstmord nicht ausdrücklich.«
    »›Kein Mensch hat Macht über den Tag des Todes!‹, heißt es im Prediger. Und: ›Meine Zeit steht in deinen Händen‹, Psalm 31. Judas hat sich umgebracht. Es hätte dem Geist der Bibel widersprochen, Lisa.«
    ›»Ich habe mein Herz vor dem Herrn ausgeschüttet‹, so lautete die Losung am Freitag und: ›Jesus sprach zu Bartimäus: Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen. Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach auf dem Wege‹«, sagte ich. »Ein guter Tag zum Sterben.«
    Wir hatten uns vom Buchladen gelöst und gingen wieder, ich weiß gar nicht, wohin.
    »Deine Mutter fand ihn, war erschrocken über das Bild der Agonie, machte sauber und rief Barbara an. Wen auch sonst: die einzige Frau in der Familie, die keine Schrecksekunde kennt.«
    »Aber …«
    »Ja, ich weiß. Deine Mutter hat behauptet, Barbara habe sie angerufen. Und Barbara hat es bestätigt mit der etwas windigen Erklärung, sie habe Lotte die Putzdienste Jackys aufkündigen wollen, nachdem du ihr klargemacht hattest, dass sie den Laden nur noch unter der Woche wird aufmachen können. Vielleicht stimmt es sogar. Letztlich ist es gleichgültig. Barbara kam und half Lotte, die Leiche herzurichten, die – das musste Barbara erkennen – deutliche Symptome einer Vergiftung aufwies. Als er endlich nett im Schlafanzug im Bett lag, riefen sie mit anderthalb Stunden Verspätung Dr. Zittel an. Der war in Eile und sich einig mit den Damen, dass der große Unternehmer im lutherischen Geiste in Würde verabschiedet werden sollte, und stellte den Totenschein aus. An Mord dachte er nicht, bestenfalls an Selbstmord.
    Dann aber tauchte ich auf, das Zirkustier aus der Großstadt, die exzentrische Freundin des Staatsanwalts, die Reporterin, die den Kultusminister zu Fall gebracht hat. Kaum hatte Zittel erfahren, wer ich bin, bekam er Schiss und entschloss sich, dem zuständigen Staatsanwalt seine Zweifel am natürlichen Tod von Martinus Weber mitzuteilen.«
    Richard schwieg

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