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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Scheible war in meinem Haus der Drachen, der die Mülltrennung und nach der Kehrwoche die »gewissen Eckle« im Keller und meinen Lebenswandel kontrollierte. Ich hatte mich mit ihr darauf geeinigt, Cipión als den Hund von Staatsanwalt Weber zu betrachten, der tagsüber, wenn er im Amt war, und bei Dienstreisen auch mehrere Tage lang bei mir blieb.
    »I hen noch Kässpätzle vom Mittag, die kennet Sie mit nuffnemme und uffwärme. Sie solltet sich übrigens endlich mal a Mikrowell aschaffe.«
    Ich schob die Spatzen in den Ofen und rief Sally an, um mich zu einem Spaziergang mit den Hunden zu verabreden. Sie wohnte zusammen mit drei Katzen und einer altersschwachen Schäferhündin in der Urbanstraße an der Friedenskirche gleich um die Ecke und hatte mich vor Jahren adoptiert, nachdem sie mir, als ich nach meinem Unfall im Krankenhaus unter einem Medikamentenschock ins Jenseits zu driften drohte, das Leben gerettet hatte. Natürlich musste ich ihr alles erzählen. Und sie merkte sofort, dass ich nicht alles sagte.
    »Ich gehe davon aus«, hatte Richard am Bahnhof von Balingen gesagt, »dass du deine Theorie weder aus eigenem Antrieb noch bei nächster Gelegenheit mit Staatsanwalt Kromppein oder sonst irgendeinem Menschen besprichst.«
    »Irgendwann kommt es doch raus, Richard! Und dann gnade dir Gott! Sie werden dich durchs Fegefeuer jagen, wenn sie erfahren, dass du es wusstest oder hättest wissen können. Und wenn es nicht herauskommt, wirst du dir selbst deine Hölle schaffen, Richard. Und in der muss ich nicht auch schmoren.«
    »Ist das dein letztes Wort?«, hatte er mich ernst gefragt.
    Deshalb erzählte ich es Sally nicht und niemandem.
    »Aber worüber habt ihr euch denn nun genau gestritten?«, bohrte sie nach. »Dass du entdeckt hast, dass er ein Muttersöhnchen ist, kann’s doch nicht sein. Deshalb macht man doch nicht Schluss mit Schlüsselzurückgeben und allem.«
    Es war eine umwegige Reise gewesen von Balingen in die Neckarstraße. Vom Stuttgarter Bahnhof war ich erst einmal mit dem Taxi nach Degerloch hinaufgefahren, wo an der Haigstkirche noch hochzeitsweiß meine Brontë stand, eine gebürtige Porsche. In Richards Wohnung in der Kauzenhecke hatte ich alles eingesammelt, was sich von mir dort ausgebreitet hatte – Duschgel, Mascara, Schlüpfer für den Morgen danach, Cipións Näpfchen –, und im Gegenzug meinen Haustürschlüssel auf die spiegelschwarze Fläche des Bechsteinflügels gelegt. Dann hatte ich Brontë die Alte Weinsteige hinunterrollen lassen, an der Schranke vorbei, die nachmittags den Schleichverkehr stoppen, aber Taxis noch durchlassen sollte, und hinein in die zehn Meter Einbahnstraße in Gegenrichtung, die unterbinden sollte, aber nicht konnte, dass die Degerlocher Arzt-, Anwalts- oder Unternehmerschickeria mit ihren SLK, Cayennes oder Crossfires Zeit sparte.
    »Und was ist, wenn er im Tauben Spitz auftaucht?«, fragte Sally besorgt. »Oder kommst du jetzt auch nicht mehr?«
    »Er wird nicht mehr kommen, Sally. Du weißt doch, wie taktvoll er ist.«
    Sally seufzte schwer.
    Der Dienstag regnete sich ins Land, und ich quälte mich mit einem Artikel über die Waagenindustrie auf der Zollernalb, um dem furchtbaren Wochenende einen Sinn zu geben. Ich dachte an Barbara und das Unglück. Sie hatte doch ein Recht zu erfahren, dass Martinus Weber ihren Sohn auf dem Gewissen hatte! Oder irrte ich mich? Mir war, als hätte ich irgendetwas übersehen, zumindest aber in meinem Kopf verräumt zwischen Vickys und vormals Rockys Flügelhorn, Maxis Klimperschmuck, einem Skorpion und den Marmorkrebsen, Zittels urologischer Praxis und Claudia Murschels Aktstudien.
    Am Mittwoch bestach ich den Zufall und traf Staatsanwältin Meisner im Bioladen gegenüber der Staatsanwaltschaft, wo sie sich mit Datteln und süßen Dinkelvollkornstückle eindeckte, um den Obsttag zu überstehen, den sie sich jeden Morgen verordnete.
    »Dieser Kromppein«, sagte sie, »ist ja ein ziemlicher Ochs. Jetzt hat er Herrn Webers Mutter doch wieder laufen lassen. Fahren Sie zur Beerdigung am Freitag? Ich weiß noch nicht, ob ich kann. Elf Uhr ist etwas ungeschickt. Aber der General, der fährt, habe ich gehört.«
    Bei Nieselregen und Temperaturen von zwölf Grad ging ich Schaftstiefel für den Winter einkaufen, der in diesem Jahr nicht kommen würde. Aber das ahnte Ende August noch niemand. Es war insgesamt ein guter Tag, um die Verlagerung des Lebensmittelpunkts nach Berlin, Hamburg oder Madrid zu erwägen.
    Am

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