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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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wieder.
    »So oder so ähnlich könnte es gewesen sein. Es sind fast perfekte Morde. Es ist deinem Vater sogar gelungen, den einzigen Zeugen posthum zu beseitigen. Warum war Lotte so präsent, dass Vicky den Flachmann kriegen sollte? Vermutlich nur, weil Martinus es in den Tagen zuvor extra erwähnt hat, während Jannik gleichzeitig im Gartenhäuschen an dem Gift aus dieser Flasche starb. Deine Mutter wird sich an diese Bemerkung erinnern, wenn wir sie fragen.«
    Wir hatten plötzlich das Auto erreicht. Richard hielt den Schlüssel in der Hand, aber ohne die Schließanlage zu wecken, was Cipión zu einem Tanz auf den Polstern verführt hätte.
    »So könnte es gewesen sein«, sagte er, »aber so war es nicht. Denn es fehlt der Schlüssel, Lisa. Mein Vater müsste einen Schlüssel für das Schloss an der Tür der Gartenlaube gehabt haben. Nach der Überraschung mit der Pistole in seiner Jackentasche habe ich gestern noch all seine Kleider untersucht. Einen Schlüssel habe ich dabei nicht gefunden.«
    »Er könnte ihn weggeworfen haben.«
    »Warum denn, wenn er ohnehin vorhatte, sich das Leben zu nehmen.«
    »Genau deshalb. Denn andernfalls hätte er meinen können, dass er ihn noch braucht. Dein Vater hatte mit allem abgeschlossen.«
    »Nein! Er wäre nicht vor seinen Richter getreten, ohne ein Bekenntnis abzulegen. Und so ein Sündenbekenntnis ist niemals nur eine Sache zwischen dir und Gott. Es erfordert irgendeine Form der Veröffentlichung, einen Zeugen gewissermaßen. Da hast du Recht, Lisa. Denn nur in der Mimik eines Menschen oder in der Mimik eines Lesers, den wir uns vorstellen, erleben wir die Schmerzen und das Entsetzen über unsere Taten. So wie wir auch Vergebung nur erfahren, wenn sie von einem Menschen ausgesprochen wird. Er muss ein schriftliches Bekenntnis hinterlassen haben, und zwar so, dass ich … ich es …« Richards Blick ging an mir vorbei und verlor sich zwischen Himmel und Hölle. »Dass ich es auch finde.«
    Er feuerte elektromagnetische Wellen auf die Schließanlage seines Wagens.
    »Richard, du opferst deine Mutter für die Unversehrtheit deines Vaterbildes!«
    »Unsinn!« Er lachte auf. »Mein Vaterbild könnte schlechter kaum sein.«
    »Vertrau deinem Gefühl, Richard. Du weißt es doch!«
    »Nichts weiß ich. Unsere Gefühle färben unseren Blick. Depressive sehen schwarz, verliebte rosig. Ja, ich habe meinen Vater gehasst. Wie praktisch, wenn ich jetzt meine unchristliche Abscheu damit rechtfertigen könnte, dass sie sich gegen einen mehrfachen Mörder richtete, ohne dass ich dafür irgendeinen Beweis habe. Dann wäre ich im Nachhinein der Held, nicht der engherzige Sohn, der sich mit seinem Vater nicht hat aussöhnen können. Es wäre zu leicht, Lisa!«
    Leicht?
    Warum sollte es denn nicht ausnahmsweise mal leicht sein? Und er machte es sich doch leicht. Scharfsinnig diskutierte er weg, worüber er verrückt geworden wäre oder bereits geworden war, der Rechtschaffene, der Diskrete, der im Grunde seines Herzens unfähig war, den Menschen die Bösartigkeiten zuzutrauen, wegen deren er sie anklagte.
    »Würdest du mich dann jetzt bitte am Bahnhof absetzen?«, sagte ich.
     

39
     
    Oma Scheible empfing mich im Treppenhaus des Altbaus mit den gelben Klinkern in der Neckarstraße gegenüber dem Bunker der Staatsanwaltschaft. »So, hen Sie a Reisle gmacht?«
    »Ein überraschender Todesfall«, erklärte ich und raffte meine Spampost aus dem Briefkasten an der Wand hinter der klapprigen Haustür.
    Oma Scheibles Äuglein schillerten wie fettige Aalsuppe. Sie liebte Todesfälle jeder Art, am meisten aber solche, welche die Folge eines längeren Siechtums waren, beispielsweise verschuldet von Parasiten, die man sich auf einer Reise eingefangen hatte. »I hen scho ghört, der Vadder von Ihrem Dr. Weber isch gschtorbe. Anner Vergiftung. Und die Mudder hense verhaftet. So ein feiner Mann und denn so eine Mudder. Wer hätt au des denkt.«
    »Wer sagt denn so was?«
    Oma Scheible kicherte und erzählte, dass sie am Mittag im Bioladen nebenan angestanden sei – »die send ja immer so lahmarschig an der Kass« – und gehört habe, wie eine aus der Staatsanwaltschaft zu einer anderen gesagt habe, der Weber habe die Woche Urlaub genommen, weil sein Vater verstorben sei. Und jetzt hätte man seine Mutter wegen Giftmordes verhaftet.
    »Ich verrate Ihnen ein Geheimnis, Frau Scheible.«
    Die schiefe Alte nickte gierig.
    »Webers Mutter ist unschuldig.«
    Das fand sie sichtlich enttäuschend. Oma

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