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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Decke. Gebt einander die Hand und wünschet euch Frieden auf allen Wegen!«
     

6
     
    Plötzlich scharrten Füße, bewegten sich Hände, schwenkten Haarknoten herum. Aufbruch. Barbara bat die Anwesenden zu einem Imbiss in die gute Stube hinunter. Die Gesellschaft duckte sich zur Tür hinaus. Jacky zog die Alte vom Stuhl hoch und drückte ihr den Stock in die gichtige Hand. »Komm, Oma, es gibt Gürkchen.«
    »Und desmal ka mi der Martinus net schoich anblicke, weil i z’viel ess. Fett ischer worre uff seine aide Dag!«
    Ein Luftzug löschte die Kerzen.
    Jacky warf ihre Mähne nach hinten und pulte mit zwei Fingern ein Feuerzeug aus ihrer Jeanstasche und reichte es der jüngeren Mähnenschönheit. Jetzt meinte ich doch, über der Gürtelschnalle den Kringel eines Schamhaars erkennen zu können.
    »Und verbrenne wellet se ihn?«, fuhr die Alte fort. »Den Sarg und die Grabpflege schpare! Die alte Geizkräge!«
    »Komm, Oma«, sagte Jacky mit einem ungeduldigen Flackern in der Stimme.
    Ich trat hinter ihnen zur Tür hinaus.
    Richard stand im Gang, neben ihm die Frau mit den grauen Drahthaaren und dem angespöttelten Blick, der meinen Kreislauf so ankurbelte.
    »Lisa«, sagte er. »Darf ich dir Barbara vorstellen, meine Cousine.«
    Ihr Händedruck war fest. »Freut mich! Wir sehen uns noch. Aber jetzt muss ich hinunter. Sonst wird das nichts mit dem Imbiss.« Sie eilte mit kurzen, zügigen Schritten davon.
    »Was ist das für eine Sache mit dem Fürsten?«, erkundigte ich mich bei Richard.
    »Jetzt nicht, Lisa.«
    »Hat Frommern etwa noch einen Fürsten?«
    Richard deutete ein nachsichtiges Lächeln an. »Der Fürsten ist ein Gelände in der Verlängerung der Fürstenstraße, die aus dem Altort Richtung Zeitental führt. Und das Zeitental, das ist das Tal unterhalb unseres … äh, dieses Hauses …«
    Ich schmunzelte taktvoll auf den Teppich hinunter.
    »… durch das die Eyach fließt. Barbara hat ihren Hof dort unten. Und sie hat meinem Vater vor einigen Jahren fürn Muggesäckele einen Acker auf dem Fürsten abgekauft, angeblich für ihre Rinder.«
    »Angeblich?«
    »Sie baut dort Luzerne an. Aber der Acker liegt zufällig genau dort, wo man eine Brücke über die Eyach schlagen müsste, um den Fürsten für den Autoverkehr zu erschließen. Und zufällig sitzt Barbaras Mann, Jürgen, im Ortschaftsrat, der solche Sachen beschließt.«
    »Ach, und dein Vater hat gegen das Projekt Front gemacht, damit dein Bäsle Barbara nicht den Reibach macht, der ihm entgangen ist.«
    »Ums Geld ging es ihm nicht!«
    »Jaja, es ging ihm ums Prinzip.«
    »Mein Vater hat sich, auf Deutsch gesagt, verarscht gefühlt, hintergangen, getäuscht, bestohlen. Nenn es, wie du willst.«
    »Du verteidigst ihn auch noch?«
    »Man kann schon die Frage stellen, ob Ortschaftsratsmitglieder Entscheidungen treffen dürfen, die ihnen selbst oder ihren Angehörigen einen geldwerten Vorteil bringen. Selbst wenn Jürgen sich bei den entscheidenden Abstimmungen der Stimme enthält, bleibt es problematisch. Barbara könnte von ihm von den Plänen erfahren haben, bevor sie veröffentlicht wurden, und ihren Wis sensvorsprung ausgenutzt haben.«
    »Richard, du denkst zu städtisch! Wenn dein Vater nicht gewusst hat, dass in diesem Fünftausendeinwohnerkaff über eine Baumaßnahme nachgedacht wird, die auch sein Grundstück betrifft, dann war er gesellschaftlich isoliert.«
    »Das war er nicht. Meine Mutter hat immer geklagt, wie viele Verpflichtungen sie hatten.«
    »Und wann hat deine Mutter dir das immer so geklagt?«
    »Wir telefonieren einmal die Woche. Meistens, wenn mein Vater seine Spaziergänge macht … gemacht hat.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du so ein Muttersöhnchen bist.«
    »Musst du alles wissen?«, knarzte Richard humorlos und wandte sich ab.
     
    Das Wohnzimmer entzog sich meinem Fassungsvermögen. Eichenschrankwände wären mir vertraut gewesen, Ledersofas und der gekachelte Eichentisch. Aber wie schon im Schlafzimmer spiegelte der Lack auf den Möbeln, als hätte man sie mit Wasser übergossen. Die Türen der Anrichte und des Bücherschranks waren geschwungen wie aufgeschlagene Buchseiten. Der Couchtisch sah aus wie eine erstarrte Wippe. Seine polierte Platte ruhte auf einer offenen Halfpipe aus Holz. Auch Sessel standen herum. Sie waren wie aufgeschnittene Tulpenkelche geformt, mit aprikosenfarbenem Leder bezogen, an den Schnittkanten mit Holz verbrämt und saßen auf einem kreisförmigen Holzsockel. Die Couch war nach demselben

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