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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Klubs?«
    Sie feixte abgeklärt. »Er hat es von jemandem im Ministerium. Papa ist Lehrer im Schulzentrum Längenfeld. Er ist Fachbereichsleiter für Mathe und muss wegen der Lehrplanreform oder so manchmal nach Stuttgart. Er sagt, wegen dir musste der Kultusminister zurücktreten, weil er in einem Klub erwischt wurde. Die Kerzen blasen wir lieber aus. Nachher passiert noch was.«
    Im Wohnzimmer saßen immer noch die Gespenster und pickten mit gezügelter Gier Mixed Pickles, kauten Brote und unterhielten sich über Chorproben und die Verlorenheit der Jugend. Richard saß, dem Zimmer zugewandt, auf der Pianobank, die Hände auf die Knie gelegt, die Miene in sich gekehrt. Vermutlich dachte er darüber nach, wo er eine Zigarette rauchen konnte. Das Haus roch, als würde es dann zu husten anfangen.
    Maxi blieb in der Tür stehen. »Wo ist Oma?«
    Alle blickten zu uns herüber. Die blauäugige Hermine antwortete vom Strecksofa her: »Henriette ist gerade los mit ihr. Das Kipf ist scheint’s ganz alleine daheim. Da ist schnell ebbes passiert!«
    Im Zimmer geisterte tadelndes Schweigen von einem verkniffenen Mund zum andern. Maxi drehte wortlos um.
    »Ich soll Barbara und Jacqueline entschuldigen«, sagte ich. »Die Herde ist ausgebrochen.«
    »Schon wieder?«, fragte der gezähmte Mann mit den Lochschuhen. »Da muss man wohl mal ebbes tun mit den Zäunen. Eh noch ebber zuschaden kommt.«
    Auch ich drehte mich auf dem Absatz um und durchquerte das Vestibül. In der Garderobenecke hingen Mäntel und Jacken, darunter eine rehbraune Herrenlederjacke mit ausgebeulten Taschen. Wann würde Lotte sie abhängen? Als mein mir nur kurz angetrauter Mann, Todt Gallion, vor vielen Jahren nach unserem Autounfall beerdigt wurde, während ich halb gelähmt im Krankenhaus lag, hatte mein einziger Akt des Abschieds darin bestanden, Wochen später die Kleider zu entsorgen, aus denen er herausgestorben war. Der Geruch in seinen Jacken konservierte sich bis heute in meinem Gedächtnis. Jedes Kleidungsstück, das ich in Altkleidersäcke stopfte, war ein Tötungsakt.
    Richard holte mich an der Haustür ein. »Du willst doch nicht etwa mit! Da sind Stiere dabei.«
    »Richard. Ich komme vom Land!«
    »Bei euch hat man die Stiere einzeln gehalten und am Nasenring zur Kuh geführt. Aber in dieser Herde laufen an die sechzig Stiere mit! Damit ist nicht zu spaßen!«
    »Als ob es mir immer nur darauf ankäme, Spaß zu haben!«
    »Ach, Lisa!«
    Ich ließ ihn stehen, wenngleich mich ein Flöckchen Mitleid anwehte. Schließlich war ich mitgefahren, um ihm beizustehen.
     

7
     
    Ein Dorf war nachts um elf wirklich stockfinster. Auch von Stuttgart sagte man, es klappe um zehn die Bürgersteige hoch. Vor allem seit der Eurodepression. Aber Autos fuhren immer, es gab Leuchtreklame, es taumelten Betrunkene über die Straßen, rasten Fahrradfahrer ohne Licht heimwärts. Und jetzt am Freitagabend sowieso, da füllte sich gerade die Partymeile entlang der Theodor-Heuss-Straße.
    Ich holte Maxi dort ein, wo die Zivilisation ganz aufhörte. Falter sausten um die Straßenlaterne. Zwischen Hang und Abhang, Busch und Baum tappten wir ein steiles Sträßchen hinunter. Die Häuser von Frommern blieben oben auf der Kante hocken. Maxi warf klimpernd die langen Beine. Ich knirschte auf Golfschuhen hinterher. Eine Straßenlaterne beleuchtete eine überraschend hohe Felswand, unter der ölschwarz die Tümpel der sommerdürren Eyach glitzerten. Haariges Grünzeug, um diese Stunde silberschwarz wie Tang, hing die Felswand herab.
    »Hier soll die Brücke her, wenn der Fürsten da drüben Bauland wird«, erklärte Maxi. »Und jetzt, wo Martinus tot ist, machen sie das sicher.«
    »Kommt das öfter vor, dass eure Herde ausbricht?«, fragte ich.
    »Nur, wenn sie jemand rauslässt. Zuletzt im Juli.«
    »Hat da jemand was gegen euch?«
    »Könnte sein.«
    »Und wer?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Derselbe, der auf die Rinder schießt, nehme ich an.«
    »Bitte?«
    »Zweimal letztes Jahr. Eine Kuh mussten wir notschlachten. Ihr steckte eine Neunmillimeterkugel in der Lunge.«
    »Von einer USP von Heckler & Koch aus Oberndorf am Neckar, auch bekannt als P8?«, schlug ich vor.
    »Oder von einer Parabellum«, antwortete Maxi prompt. »So einer wie Martinus sie hat … hatte. Sagt Baba.«
    »Soll das heißen, dass Martinus auf eure Herde geschossen hat?«
    »Keine Ahnung. Baba sagt, damit er uns wegen Tierquälerei verklagen konnte. Das hat er nämlich letztes Jahr. Weil ein

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