Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
Tierschutzschlachtgesetzes. Aber für den Kugelschuss auf der Weide brauchten wir eine Sondergenehmigung, und die wollten uns die Behörden nicht geben. Es gab im Kreisbauernverband viele, die gegen uns gearbeitet haben. Wir mussten durch alle Instanzen prozessieren. Dann hatten wir die Genehmigung, aber nix war’s. Wenn du schießen willst, brauchst du auch noch einen Waffenschein. Und den lehnte man uns im Ordnungsamt in Balingen prompt ab.«
    Ich färbte meine Stimme mit Entrüstung. »Warum das denn?«
    Barbara hatte inzwischen alle Container mit Spanngurten befestigt und langte nach den Türen des Transporters.
    »Man hielt uns für Schlamper. Sekundäre Verwilderung nennt man das, was mit unseren Rindern geschehen war, und die Fachleute sind sich einig, dass so was auf Nachlässigkeit des Tierhalters zurückzuführen ist. Mit artgerechter Tierhaltung, so die einhellige Meinung, habe das nichts zu tun. Leute wie wir, die zu faul sind, ihre Viecher in die Melkstände zu treiben, Kraftfutter zu schaufeln und Gülle abzufahren, besitzen nicht die geistigseelische Reife, um eine Schusswaffe zu führen. So einfach war das.«
    »Also doch Cowboys mit Lasso«, bemerkte ich. »Wenn ihr mal Hilfe braucht, dann fragt mich.« Zugegeben, es war etwas plump.
    Barbara drehte sich um. »So siehst du gar nicht aus.«
    »Wie sehe ich denn aus?«
    Sie rasterte mich so eingehend ab, dass ich meine Existenz bereute. »Ziemlich verpeilt siehst du aus«, stellte sie fest. »Du hast ein bisschen Angst, hm?«
    Jetzt aber! »Wenn schon diese Bloch’sche Scheiße«, ratzte ich, »dann Verzweiflung, denn sie erst, nicht die Angst, ist wirklich bezogen auf das Nichts.«
    »Bitte?« Sie schlug die Türen des Sprinters zu und deutete auf mein Schlappohrgespenst. »Den willst du doch nicht etwa mitnehmen zum Fleischholen!«
    »Wenn er bleiben muss, dann bleibe ich auch.«
    Sie lachte. »Du hast wohl Schiss, dass Samanta ihn frisst.«
    »Und was«, kläffte ich, »ist der Unterschied zwischen Schiss, Angst und Furcht? An welcher Stelle steht Schiss in der Reihe unserer Wachträume vom Höllenhaften?«
    Barbara runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.
    »Hätte ich Schiss, dass Cipión in der Küche von Flöhen gefressen wird? Hätte er Furcht, dass Samanta ihn, um die Flöhe zu töten, auffrisst? Hättet ihr schließlich Angst, dass ich dann den Zeitentalhof in die Luft jage? Passt das so?«
    Barbara kannte doch eine Schrecksekunde. »Nun gib mal nicht so an!« Dann reichte sie mir den Autoschlüssel. »Wenn er sich benimmt, kann er mit. Ein hübscher Kerle ist er ja«, fügte sie an, als wir im Sprinter saßen – ich hinterm Lenker – und mein Stummelbeiner sie aus haselnussbraunen Augen anschaute, den Schnauzbart freundlich gesträubt, die Schlappohren aufmerksam nach vorn geklappt, was bei Dackeln nicht unbedingt dazu führte, dass sie besser hörten, verdeckte doch der Hautlappen den Gehörgang, statt ihn zu trichtern.
    »Wie heißt der? Thippionn!«, sprach Barbara mir nach.
    »So heißt einer von zwei Hunden, denen Cervantes die Gabe verliehen hat zu sprechen. Cervantes ist der, welcher auch Don Quijote erfunden hat.«
    »Der mit den Windmühlen«, antwortete Barbara. »Ich habe auch Abitur.«
    »Das habe ich zum Beispiel nicht.«
    »Ach, tatsächlich?« Zum ersten Mal musste sie zugeben, dass sie sich grundlegend in mir geirrt hatte.
    »Allerdings«, erklärte ich, »spricht Cipión nicht. Er bellt nicht einmal. Ich habe ihn vor einem Jahr aus einer Tiefenhöhle gerettet. Ich schätze, er ist traumatisiert.«
    »Ah, so.« Sie wirkte sogar geringfügig eingeschüchtert, was meiner verflohten Seele zur Aufrichtung verhalf. Der Motor des Sprinters sprang röchelnd an. Während ich den Wagen rückwärts aus der Garage stotterte, fragte ich, was aus dem Waffenschein geworden war.
    »Ach so, ja.« Barbara kam schnell wieder ins Kohlhaas-Fahrwasser. »Wir haben Widerspruch eingelegt. Das ging bis zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Gerettet hat uns das Gutachten eines Hohenheimer Professors. Er fand es unzumutbar, aus einer Herde von zweihundert Stück einzelne Rinder auszusondern. Dagegen sei es sinnvoll, ein Tier herauszuschießen. Gefahr für Leib und Leben des Schützen bestehe nicht, denn ein Rind besitze nicht das Abstraktionsvermögen, bei einem schlechten Schuss, der es nicht betäubt, seine Schmerzen dem Schützen zuzuordnen und ihn anzugreifen. Ebenso wenig seien Panikreaktionen der ganzen Herde zu erwarten, denn

Weitere Kostenlose Bücher