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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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nicht so leicht zu erkennen. Aus dem von Kühen zertrampelten Amalgam aus Schiefer und Wasser ragte ein Ast, der eigentlich ein Knochen war, dessen Blätter aus Fleischfasern bestanden. Eine halbe Hand hing herab. Was aussah wie Rinde, war eigentlich ein zersplitterter Schädel. Gedärm schillerte grünlich und rötlich im Wechsellicht von Sonne und Schatten. Das Wasser hatte eine bräunliche Farbe angenommen, die in Schlieren Richtung Altort fortzog. Eindeutig war nur die Kuppe eines Bikerstiefels, die aus dem Wasser ragte.
    »Ich hab’s erst an den Fliegen erkannt«, sagte Maxi. »Er ist voller Fliegen. Wenn man einen Stein wirft, dann …« Sie bückte sich.
    »Nicht!«, riefen Barbara und ich gleichzeitig.
    »Es waren unsere Rinder«, bemerkte Maxi. »Sie haben ihn überrannt, als er den Zaun aufgemacht hat.«
    »Wer ist es?«, fragte ich.
    Maxi druckste. Barbara schlitzte die Augen.
    »Wer könnte es sein?«
    Maxi zog den Kopf ein. »Jannik Filser, der hat solche Stiefel, glaube ich.«
    »Mach mich nicht schwach, Maxi!«, stieß Barbara hervor. »Das überlebt der alte Josef nicht. Er hat doch schon seinen kleinen Bruder verloren.« Sie schaute mich an und fügte hinzu: »Er wurde von einem Mähdrescher zerstückelt.«
    »Was?«
    »Das ist vierzig Jahre her, aber der Josef hat es nie verwunden. Er hätte damals auf seinen kleinen Bruder aufpassen sollen. Und jetzt … nein! So was denkt sich Gott nicht aus.«
    »Aber das wäre der Beweis«, saget Maxi, »dass die Filsers unsere Herde rauslassen.«
    »Wer braucht diesen Beweis? Du, Maxi? Ich nicht.« Barbara zog ihr Handy aus der Hosentasche. »Außerdem kennt Jannik sich aus mit Rindern. Er hätte sich nicht von einer Herde überrennen lassen!«
    »Vielleicht wollte er sie aufhalten?«, schlug ich vor.
    »Wenn er den Zaun aufgemacht hat, warum hätte er sie aufhalten wollen? Und verdammt, hier ist genug Platz, er hätte einfach beiseite gehen können!«
    »Vielleicht wollte er, ist aber gestolpert und gefallen.«
    Barbara überlegte, dann schüttelte sie den Kopf. »Janniks Mutter hätte mich angerufen, wenn er heute Nacht nicht nach Hause gekommen wäre.«
    »Warum gerade Sie?«, fragte ich.
    »Nicht nur mich, Lisa. Eine Mutter telefoniert bei allen Nachbarn herum, wenn das Kind nicht heimkommt. Und was geht uns Weiber die Politik unserer Männer an?« Sie kniff weitsichtig die Augen zusammen und begann ins Handy zu tippen.
    »Was für Politik?«, fragte ich.
    Barbara ließ das Handy sinken. »Was wohl? Bauspekulation.«
    Sie deutete über den Fluss, wo hinter einem Wäldchen Felder zum Altort anstiegen. »Darum geht es. Um den Fürsten. Ich habe dort einen Acker.«
    »Von Martinus.«
    Sie hängte ihren Blick in meinen. »Was hat dir die Weberblase erzählt? Dass ich Martinus, dem Gerechten von Frommern, vor ein paar Jahren seinen Acker abgeschwatzt habe, um ihn teuer zu verkaufen, wenn der Fürsten Bauland wird? Herrgottsack, ich habe im Traum nicht daran gedacht, dass das mal Bauland wird. Kann ja sein, dass man im Ortsrat schon darüber geredet hat, aber Politik interessiert mich nicht. Und Martinus hat ja nun wirklich alles getan, damit wir alle, übrigens auch der alte Josef Filser, der da drüben ebenfalls Äcker hat, in nächster Zeit keinen Schnitt damit machen. Und der alte Josef braucht das Geld dringender als ich, das kann ich dir sagen. Er hat nämlich gebaut. Und jetzt ist er sauer auf mich, weil ich die Nichte von Martinus bin … oder war? Oder bin? Egal. Jedenfalls glaubt Josef, dass ich mehr hätte tun können, damit Martinus einsichtig wird und mit seinen Einsprüchen und Eingaben aufhört. Und jetzt lass mich endlich die Polizei anrufen.« Sie tippte und legte sich das Handy ans Ohr.
    Maxi drehte sich eine der rotblonden Strähnen um den Zeigefinger. Ihr Blick verlor sich zwischen Ufer und Kadaver. Wir hätten sie nicht mitnehmen dürfen, dachte ich. Das hier war erst ab sechzehn und immer noch was anderes als ein Snuff-Video auf einem Handy.
    »Sieht man eigentlich das Weber’sche Haus von hier?«, fragte ich.
    Maxi drehte sich zum Hang um. Man sah überhaupt keine Häuser, bestenfalls deren Dachfirste. »Es ist da drüben«, sagte sie und deutete ziemlich weit nach links. Während ich dort oben gestern Abend meine Neugier auf die sterblichen Überreste von Richards Vater konzentriert hatte, war hier unten ein Mensch von Tonnen von Fleisch zermalmt morden. Es musste ungefähr um dieselbe Zeit gewesen sein. Erst hatte ich die Rinder

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