Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
Ehering. Das schwarze, von Silber aufgemischte Haar war kompromisslos burschikos geschnitten. Und doch gab es kaum etwas unmittelbar Weiblicheres als diese Frau.
    »Kaffee?« Sie deutete auf die Kaffeemaschine. »Brot?«
    Auf dem Tisch lag eine Tüte mit Vollkornbrot aus dem Supermarkt zwischen einer Milchtüte, einem bis zum Grund ausgekratzten Glas Nutella, einer Tüte Zucker, Scheren, Heften, einem Kalbhalfter, einem Brotmesser, einer Fernsehzeitschrift und einem Tischstaubsauger.
    Während Cipión rückwärts ging, weil das Kipf auf ihn zukroch, stand Jacky auf, ging zum Herd, holte aus dem Backofen ein aufgebackenes Brötchen, das sie, weil es glühend heiß war, auf den Tisch warf, wandte sich zur Küchenzeile und fischte sich aus den Schubladen Messer und Brettchen zusammen und kehrte mit Butter aus dem Kühlschrank zu ihrem Platz zurück. Bahn frei für mich. Ich holte mir ebenfalls Messer, Brettchen und Kaffee und setzte mich an die Kurzseite des Tischs auf die Bank gleich neben der Tür. Uff!
    Vor meiner Nase lag der Zollern-Alb Kurier von gestern. Hauptschlagzeile: »Zweiter Verdächtiger im Kofferbombenfall gefasst.« Darunter: »Wieder zwei vergiftete Bussarde gefunden.
    Polizei ermittelt in Taubenzüchterkreisen.« Auf der dritten Seite ein Bericht über das österreichische Mädchen, das einem Mann davongelaufen war, der es acht Jahre lang gefangen gehalten hatte. Das Foto zeigte das zehnjährige Kind aus den Neunzigern zum Zeitpunkt ihrer Entführung. Daneben das Foto eines mageren Mannes von heute mit Hasenzähnen. Er hatte sich in Wien vor den Zug geworfen, kurz bevor die Polizei ihn hatte festnehmen können.
    »Acht Jahre«, kommentierte Barbara, »und kein Nachbar hat was gemerkt! Niemand hat sich gewundert, dass ein alleinstehender Herr im Supermarkt Tampons kauft.«
    Jacky säbelte mit dem Brotmesser ihr Brötchen auf. »Auch deiner Neugierde entgeht mal was, Baba«, bemerkte sie. Dabei warf sie mir einen blitzkurzen Blick zu, nur so ein Glusen unter Wimpern hervor, aus der Drehung der Augäpfel in Richtung Brötchen heraus. Barbara lachte. Doch auch ihre Augen blitzten kurz zu mir herüber.
    Auf dem Tisch sprangen Punkte umher, kleine schwarze Punkte. Produzierte mein Schlafmangel jetzt schon Mücken in der Hornhaut? »Wer hat die Rinder nun eigentlich rausgelassen?«, fragte ich, mich mit der Zeitung ablenkend.
    »Die Filserbuben aus Stockenhausen«, sagte Jacky.
    »Und?«, erkundigte ich mich. »Habt ihr schon die Atombombe scharf gemacht?«
    Jacky würdigte mich keiner Antwort. Bedächtig kratzte sie eine Locke von der Butter und bestrich hauchdünn ihre Brötchenhälften. Ich blätterte weiter und gelangte zum Wochenendprogramm: Kino, Notrufnummern und Ausstellungstermine. Eine Claudia Murschel zeigte Bilder in der Praxis eines gewissen Dr. Zittel in der Neuen Straße.
    »Der Filserbauer«, erklärte Barbara, »ist der Bruder einer Cousine meiner Mutter. Er hat zwei Söhne. Der eine ist schon erwachsen, der andere, Jannik, geht mit Jacky in eine Klasse.«
    »Voll der Hundeficker«, bemerkte Jacky.
    Barbara runzelte die Stirn. »Der alte Josef Filser betreibt auf seinem Hof in Stockenhausen konventionelle Tierhaltung. Und er hat einen Bullen, dessen Samen er verkauft. Deshalb muss er ab und zu seine Kälber vaterlos stellen.«
    Ungern, aber ich musste zugeben, dass ich nicht wusste, was das hieß.
    »Wenn sein Bulle daheim im Stall schlechte Kälber zeugt, dann kann er den Samen nicht verkaufen. Also muss er behaupten, seine schlechten Kälber seien nicht von seinem Bullen. Und da kommt ihm zupass, dass wir sechzig Stiere haben. Dann ist das Kalb halt von einem von unseren.«
    »Ist das nicht Betrug?«
    »Macht jeder Bauer so. Der alte Josef braucht dazu allerdings Löcher in unseren Weidezäunen. Und unsere Ostweide, wo die Rinder jetzt stehen, grenzt direkt an eine seiner Weiden. Deshalb stellen wir unsere Kühe in der Zeit, wo die Kühe bullig werden, lieber auf die Westweide, wo sie gestern standen. Man muss das ja nicht noch fördern.«
    »Aber ein Gentest würde doch beweisen, ob das vaterlose Kalb von seinem Bullen ist oder von einem von euren.«
    »Wenn man einen macht, schon. Aber das kostet halt auch alles Geld.«
    Jacky hatte inzwischen begonnen, das Nutellaglas auszukratzen. »Wo steckt eigentlich Henry?«, keifte sie mit ihrem Normalcharme. »Wieder mal Migräne? Aber ich passe nicht auf das Kipf auf, dass das klar ist.«
    »Dann bringst du es eben zu Oma hinauf. Ich muss jetzt

Weitere Kostenlose Bücher