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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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heißt Krieger der Sonne. Meine Mutter hatte es leider mit den Hopi-Indianern, und ich habe jetzt den Ärger damit. Übrigens, schöne Bilder. Die sind doch von Ihnen?«
    Das Lächeln der Sprechstundenhilfe entblößte eine unübersehbare Menge schneeweißer Zähne. »Sie sind der Erste, der das bemerkt.«
    »Ich habe es in der Zeitung gelesen. Um die Wahrheit zu sagen, die Ausstellung hat mich bewogen, hierher zu kommen. Ich lebe in Stuttgart und bin nur ein paar Tage in Balingen. Ein Todesfall im Familienkreis.«
    »Oh, das tut mir leid.«
    »Und jetzt hat mich auch noch irgendein Infekt erwischt. Und da dachte ich, wenn ich schon mal hier bin, dann frage ich gleich mal, ob Dr. Zittel Zeit für mich hat.«
    »Ich denke, das hat er«, antwortete Claudia, offensichtlich zufrieden mit meiner dümmlichen Mischung aus Lässigkeit und Schmerznot, holte unter ihrem Tisch einen Plastikbecher hervor, schrieb mit Filzschrift »Nerz« darauf und stellte ihn auf die Theke. »Mittelstrahl.«
    Was? »Äh!«
    »Sie urinieren erst in die Toilette, dann in den Becher, und den Rest wieder in die Toilette«, erklärte sie routiniert.
    Wie bei den Hunden. Immer was in der Blase haben, für den Fall der Büsche. Aber gleich einen Strahl? »Äh, ich fürchte, ich war gerade!«
    Claudias Brauen zuckten fatalistisch. Offenbar gab es reichlich zivilisierte Rüden, die leer erschienen. »Jetzt probieren Sie es halt. Ein bisschen was brauchen wir schon für den Befund.«
    Angst flackerte durch meinen Bauchraum. Die werden doch nicht was finden! Ich ergriff den Becher. Jetzt nur nicht die falsche Tür nehmen! Wozu brauchte eine Urologie eigentlich ein Damenklo? Ich marschierte am Pissoir vorbei in die Kabine.
    Es war nicht wirklich anders als beim Gynäkologen. Auch das Türchen in der Wand fehlte nicht, auf dessen Sims man das mit körperheißer Brühe vollgetröpfelte Becherchen stellte.
    Im Wartezimmer saß ein älterer Herr, die Beine übereinandergeschlagen, die Füße in Socken und Sandalen, und las in einer Auto-, Sport- und Motor-Zeitschrift. Eine Gegensprechanlage rief ihn alsbald ins Sprechzimmer 1. Ich hatte Zeit, meiner prinzipiellen Neugierde nachzugeben, zog Vickys Navigator aus der Jackentasche, knipste ihn an und tippte mich durch die Menüs. Der Verlauf legte die Vermutung nahe, dass Vicky das Gerät seit knapp einem Jahr besaß. Seine erste Fahrt damit hatte ihn in die Avenue Maurice-Troillet in Chippis, CH, geführt. In Zürich hatte er wenig später die Zähringerstraße angesteuert, und von dort hatte er sich von seinem Navigator auf den Zeitentalhof und dann in die Paracelsusstraße in Stuttgart-Hohenheim lotsen lassen. Eine Freundin in Zürich? Oder doch eher in München? Und was hatte er in Wehingen, Oberheim, Meßstetten, Nürtingen oder Ehestetter Hof gesucht? Vor zwei Wochen war Vicky erneut in Chippis gewesen. Anderntags war er zum Flughafen Zürich gefahren. Vor einer Woche hatte ihn sein Navi dann aus Zürich nach Frommern und anschließend nach München gelotst, zu einer der immer wiederkehrenden Adressen. Die Fahrt heute früh von München zum Zeitentalhof hatte er sich nicht vom Navi berechnen lassen. Bekannte Strecke.
    Claudia Murschels Lautsprecherstimme bestellte mich in Sprechzimmer 2. Dr. Zittel war ein großer Mann mit Metzgerhänden, auf dessen glatten Backen das Vergnügen an seinem Job glänzte wie Fettcreme. Sein Händedruck war knochenbrecherisch, seine Stimme tief und wattiert. Das Sprechzimmer drohte mit einem Gynäkologenstuhl, der hier vermutlich anders hieß, und einer Liege. Aber ich durfte zunächst auf dem Stuhl am Schreibtisch Platz nehmen. Auf der Ecke lag die Samstagspost.
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich habe Schmerzen beim Wasserlassen«, sagte ich.
    Er blickte auf die Unterlagen auf seinem Tisch. »Ihr Urinbefund ist negativ.«
    Ich fühlte mich erleichtert.
    »Dann«, sagte er, »darf ich Sie bitten, sich frei zu machen.« Er knetete sich die Finger für den Tasteinsatz in meinem Unterbauch.
    »Ich dachte, Sie verschreiben mir was gegen Blasenentzündung.«
    »Sie haben keine Blasenentzündung.« Die Fettcreme ärztlicher Lust glänzte auf seinen Backen. »Deshalb würde ich Sie gern mit Ultraschall untersuchen.«
    »Ich bin doch nicht schwanger!«
    Ein schwaches Lächeln zitterte auf Zittels Backen. »Sind Sie sicher?«
    »Na hören Sie!«
    »Sind Sie denn operiert?«
    »Was?«
    »Herr Nerz, organisch sind Sie eine Frau!«
    »Behandeln Sie nicht auch Frauen?«
    »Sie haben sich

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