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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Schülerin. »Er war halt mal total verknallt in mich. Keine Ahnung. Aber ich nicht in ihn. Voll tragisch, aber ich kann es nicht ändern.«
    »Manchmal auch gefährlich«, bemerkte ich.
    »Wieso?«
    »Männer töten gern auch mal, was sie lieben.«
    »Dann ist es keine Liebe.«
    »Aber tot bist du trotzdem.«
    »Jannik war nicht so einer!«, sagte Maxi.
    »Das weiß man nie vorher, ob einer so einer ist.«
    »Der nicht!«
    »Warum bist du so sicher?«
    »Darum.«
     

14
     
    Und wenn die drei Binderkinder den Filserbuben einfach umgebracht hatten, weil er Maxi vergewaltigt oder bedroht hatte?
    Auf Vickys alter Yamaha bullerte ich, angefüllt mit Fragen, durchs Grün. Der Navigator auf dem Lenker löste die Frage nach dem Wohin. Balingen hielt sich hinter der aus Alt und Neu zusammengebauten Zentrale von Bizerba eine renovierte Innenstadt mit Samstagsmarkt, Rathaus, Schmuckpflaster und einer spätgotischen evangelischen Kirche mit einem über sechzig Meter hohen oktogonalen Turm, dessen ziemlich unspektakuläre Sonnenuhr immerhin einst der Pfarrer Philipp Matthäus Hahn aus Onstmettingen konstruiert hatte, der mit der Neigungswaage im Arbeitszimmer von Martinus.
    Während ich Vickys Bock durch die Gassen lenkte, über die mit Tüten und Taschen Paare schusselten, die miteinander mehr oder minder alt geworden waren, sehnte ich mich kurz und heftig nach irgendeiner Identität, damit Mütter wie Lotte mich nicht als katholisches Ripp diffamierten, Weiber wie Barbara mir nicht vorhielten, ich sei verpeilt und hätte Angst und Tussen wie Jacky nicht über meinen fetten Arsch und meine Maskerade grinsten. Normalerweise warf ich mich bei Identitätskrisen in einen Anzug und ging Sally beim Kellnern im Tauben Spitz stören. Aber erstens war es noch nicht Abend, zweitens war Stuttgart weit und drittens hatte ich schon einen Anzug an.
    Zum Glück! Denn die Praxis von Dr. Zittel erwies sich als urologische Privatklinik – erektile Dysfunktion, Impotenz, Azoospermie – mit Notfallversorgung und Dialyse. Mein Spermienmangel war allerdings kein hinreichender Grund, an einem Samstag ein solches Institut aufzusuchen. Und meine Rippenprellung konnte ich auch nicht vorbringen. Eine kleine Unstimmigkeit auf dem Praxisschild hätte mir eigentlich auffallen müssen, aber in meinem Kopf hatten sich die Mannlosen vermehrt und mit der Verstocktheit der drei Bindergeschwister zu der Frage verklumpt, was eigentlich los war in Barbaras Familie und mit mir.
    Ich stellte die Maschine ab, klickte den Navigator aus der Halterung am Lenker und zog die Krawatte aus meiner Jackentasche, um sie mir auf dem Weg zum Eingang in den Hemdkragen zu binden.
    Labor- und Diagnosetechnik vom Feinsten, dekoriert mit Marmor, edlen Hölzern und Palmen. Die Gemälde an den Wänden offenbarten, dass Claudia Murschel jung war, entweder an Jahren oder an künstlerischer Entwicklung. Es waren Aktstudien junger Männer im Akademiestil: Kontrapost, Embryonalstellung, Denkerhaltung, schraffiertes Muskelspiel, Männerhintern mit Schattenwurf. Ob der Anblick des ewigen Adonis aber der angejahrten Kundschaft gefiel? Es sei denn, sie war schwul.
    Das Labyrinth der Altbausanierung leitete mich an eine Theke aus Holz und Chrom. Dahinter saß eine junge Frau mit schwarzen Mandelaugen in weißem Kittel mit Telefon und Bildschirm. »Haben Sie einen Termin?«
    »Nein.« Ich presste meine Stimme. »Aber Schmerzen.«
    Die junge Frau löste ihre Mandelaugen vom Computerbildschirm und blickte mich an.
    Ich quälte mir ein Schmerzlächeln aufs Gesicht.
    Sie lächelte geschäftsmäßig zurück. Auf ihrer linken Brust wackelte ein Schildchen mit dem Namen Fr. Murschel. »Was für Beschwerden haben Sie denn?«
    »Unterleibsbeschwerden.«
    Sie zog die Brauen hoch. Falsches Vokabular. Männer hatten keinen Unterleib, sie hatten einen Unterbauch. Aber waren Urologen nicht vielleicht auch für Frauen zuständig? Das vermochte ich momentan leider nicht zu klären. Also weiter im Text. »Ich meine, ich habe Schmerzen beim … beim Wasserlassen. Reicht das?«
    »Wofür?« Fr. Murschel ließ schon mal die Finger über die Tastatur gleiten.
    »Damit Dr. Zittel mich drannimmt«, sagte ich.
    Offenbar reichte es. »Welche Krankenkasse?«
    »Privat!«
    Die schönen geschwungenen Brauen zuckten leicht, aber befriedigt. »Name?«
    »Nerz.«
    »Vorname?«
    »Lisa.«
    Die Mandelaugen tasteten schon fast interessiert meine hoppelige Mimik ab.
    »Das ist indianisch«, lächelte ich narbengesichtig, »und

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