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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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kaufte ein Flohhalsband für Cipión, Unterwäsche, Zahnbürste und ein T-Shirt. Der Sitz des Zollern-Alb Kuriers protzte mit viel Glas in der Fassade. An den Schaukästen stand ein Herr in korkfarbenen Hosen und violettem Poloshirt. Schon drehte er sich um, gleich würde mich ein Paar asymmetrischer Augen anpfeilen. Hatte Richard eigentlich nichts Besseres zu tun, als wie ein alter Mann mit Durchblutungsstörungen die neueste Ausgabe des ZAK hinter Glas zu lesen, statt mit seiner Mutter bei Erdinger Sarg und Blumenschmuck auszusuchen?
    Ein Buchladen gewährte mir gnädig einen Fluchtweg. Ich durcheilte Regalschluchten mit Heften, Mappen und Kugelschreibern und erklomm den ersten Stock. Ruhe, Tische, Gemurmel. Buchläden waren mir zuwider. Zu viele Bücher. Sie forderten Entscheidungen. Von Wie Männer ticken über Warum Frauen nie verstehen wollen, was Männer wirklich machen bis zum 3-Stufen-Programm zur Beseitigung von vorzeitigem Samenerguss stapelten sich das Leben und seine Probleme, über die ich nichts wusste, aber mehr wissen sollte.
    In einem zentralen Regal lehnten nebeneinander mit dem Cover nach vorn mehrere Exemplare eines Buchs mit dem Titel Das Gleichgewicht der Welt – eine kleine Geschichte der Waagenindustrie von Balingen von Reinhold Zittel. Auf dem Umschlag erkannte ich die Neigungswaage von Philipp Matthäus Hahn aus Martinus Webers Arbeitszimmer.
    »Kaum ein hoch entwickeltes technisches Produkt hat eine so lange Entwicklungsgeschichte wie die Waage. Heute ist Balingen die bedeutendste Waagenstadt Deutschlands. Die Unternehmen Bizerba und Kern & Sohn sind im Bereich des Laden-, Industrie- und Laborwaagenbaus die ältesten im Familienbesitz befindlichen Betriebe Deutschlands. Im heutigen Stadtteil Ostdorf begründete David Hahn diese Tradition. Der Bruder des berühmten Mechanikerpfarrers Philipp Matthäus Hahn baute dort die erste Wand-Neigungswaage.«
    Aber die Neigungswaage in Martinus Webers Arbeitszimmer war doch vom Mechanikerpfarrer selbst gewesen, oder sollte Richard sich da geirrt haben? Abgründe!
    Bezahlen musste ich unten. Ich spickte durchs Geländer der Treppe, um mich zu vergewissern, dass Richard mit seinem sechsten Sinn für meine unerwünschte Anwesenheit nicht gerade Kugelschreiber ausprobierte oder Umschläge mit Trauerrand aussuchte. Durch die Nebenstraßen kehrte ich in die Neue Straße zurück, wo ich Vickys Yamaha abgestellt hatte.
    Aber es gab kein Entkommen. Sonne blitzte auf Glas, die Tür der urologischen Privatklinik öffnete sich und -! – Richard trat heraus. Ich konnte gerade noch durch einen schmalen Durchgang zwischen Zehntscheuer und Nachbarhaus zu einer Treppe entwischen, die zum Mühlkanal abstürzte, einem gallgrünen Rinnsal am Fuß der Stadtmauer, auf der im blauen Himmel Scheuer, Reiterhaus und Schlüssle thronten. Der Kanal kam von einem Wehr her, über das die Eyach breit herunterstürzte. Dort stand ein runder Turm, der durch einen Holzsteg mit dem Schlösschen verbunden war. Die Insel zwischen Kanal und Eyach gehörte dem Café Klein Venedig. An den Tischen auf der Terrasse am Wehr wurde eifrig gefrühstückt, in Gruppen, zu Paaren und alleine.
    Gute Idee!
    Ich übersah eine Stufe nach unten, stauchte mir die Hüfte ins Becken und ächzte mich auf einen Stuhl. Auch die Karte war nicht harmlos. »Nicht eben zufällig wurde der Kaffee auch arabischer Wein genannt«, las ich. Deshalb musste ich mich nun entscheiden zwischen dem Guatemala Antigua, mit Schokoladen-Kakaotouch und eleganten Bitternoten, dem Äthiopischen Sidamo Mokka, einem halbwilden Kaffee mit dunkler, rassiger Tasse, dem Mexico Maragogype, einer Riesenbohne, aber weich und mild, und dem Java mit seiner feinen, filigranen Säure. Schwierig. Und gleich würde der Terror freundlicher Bedienung beginnen. Was darf ich Ihnen bringen? Ich würde antworten müssen. Rat suchend blickte ich auf.
    Richard stand genau vor mir.
    »Tja, so schnell sieht man sich wieder.«
    Er griff nach dem zweiten Stuhl am Tisch. »Darf ich?«
    »Hast du nichts Besseres zu tun?«
    Er nahm Platz. »Hab ich mir’s doch gedacht. Das ist Victors Yamaha vor der Praxis von Dr. Zittel. Was wolltest du dort? Darf ich raten?«
    »Mit seiner hübschen Sprechstundenhilfe flirten. Ist dir aufgefallen, dass es ihre Bilder sind, die überall in dieser Klinik hängen?«
    »Was für Bilder?«
    Ich musste schmunzeln. »Kein Blick für hübsche Männerhintern? Was wolltest du denn dort?«
    »Mir erklären lassen, dass Lisa in der

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