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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Marmorkrebs sei keine Art. Es gibt ihn nicht, weil man eine Art nur anhand von Männchen bestimmen kann.«
    »Guter Mann! Der macht seinen Weg.«
    Maxi lächelte. »Vielleicht gibt es eines Tages auf der Welt nur noch Mannlose. Vicky sagt, bei der Parthenogenese macht ein chemischer Stoff den Eiern vor, dass sie befruchtet seien. Dann findet eine Zellteilung statt, bei der auch der Chromosomensatz geteilt wird, und dann verschmelzen sofort zwei Kerne, sodass man wieder den doppelten Chromosomensatz hat.«
    Alle Achtung!
    »Ich studiere auch mal Biologie. Und dann werde ich beweisen, dass die Jungfrauengeburt möglich ist! Ich meine, die von Jesus.«
    Ach, du meine Güte. »Wozu das denn?«
    »Dann kann sich niemand mehr darüber lustig machen, über die, wo das glauben und so.« Finstere Entschlossenheit flackerte zwischen ihren Brauen.
    »Wer hat sich denn darüber lustig gemacht?«
    »Alle.«
    Gott! Das Kind war in der Schule ausgelacht worden. Ich ahnte die Dimensionen.
    »Ich werde beweisen, dass es geht, auch beim Menschen.«
    »Aber müsste Jesus dann nicht eine Frau gewesen sein?«
    Maxi musterte mich in meiner ganzen abgehalfterten Anzugpracht. »Weiß man das immer so genau? Außerdem, vielleicht war Maria ja auch ein Mann.« Sie blickte versonnen ins Leere.
    »Aber wie hätte sie dann …?«
    »Es gibt Menschen, die sind erst Frauen und dann Männer«, erklärte mir das Kind.
    Wem sagte sie das! »Aber«, wandte ich ein, »das geht nicht ohne einige Operationen ab.«
    »Solche meine ich nicht. Vicky sagt, sie werden als Mädchen geboren. Jedenfalls sehen sie aus wie Mädchen. Aber sie haben ein X- und ein Y-Chromosom. Bei ihnen wird nur irgendwie durch einen Fehler das männliche Hormon unterdrückt. Sie haben einen Pimmel und Hoden, aber sie haben auch eine Gebärmutter, weil immer, wenn das männliche Hormon fehlt, sich das Weibliche durchsetzt. In der Pubertät fließt dann mehr davon durchs Blut. Deshalb kriegen sie keinen Busen, sondern einen Bart und so. Dann operiert man sie meistens, gibt ihnen weibliche Hormone und macht sie zu Frauen.«
    Mir blieb die Spucke weg.
    »Wenn Maria so eine XY-Frau gewesen ist, dann hätte sie Jesus kriegen können.« Sie hob herausfordernd das Kinn. »Und wenn ich herausfinde, wie es geht, dann können wir auf die Männer scheißen.«
    In mir erzitterten kurz die Gene, Nerven und Neuronen, in denen ein Wissen verankert war, das nur wir hatten, egal wie alt, wie erfahren, egal ob erlebt oder erzählt: das Wissen von der Unheimlichkeit der Welt, in der wir lebten, aber nie zu Hause waren. Hatte man Maxi … war sie … gehörte sie zu denen, die …? Brüder, Väter, Onkel, Männer gab es immer, und überall setzten sie unseren Träumen Schranken.
    »Sehr interessant, aber ich muss jetzt leider los«, fiel mir ein.
    Beim Umdrehen streifte ich mit einem Körperteil, vermutlich meinem fetten Arsch, einen Stapel Comics, Hefte, Schulbücher und Zeugs zu Boden, der auf der Ecke eines kleinen Schreibtischs gerade so Platz gehabt hatte.
    Nicht mit heruntergestoßen hatte ich eine DVD mit dem Titel Die Abenteuer von Rocky & Bullwinkle. Ein Elch eichte schaufelbreit auf dem Cover, und das fliegende Eichhörnchen spitzte seine Hasenzähne unter einer Pilotenmütze.
    »Und?«, fragte ich. »Wie ist der Film?«
    »Voll übel!«, bemerkte sie anerkennend.
    Die beiden Knollenschnauzen mussten Amerika vor drei pottsylvanischen Schurken retten, die es geschafft hatten, aus der Welt der Comics in die reale Welt zu wechseln, um sie sich zu unterwerfen und die Menschen in Zombies zu verwandeln. Einer von ihnen wurde von Robert de Niro gespielt. Männer und ihre Träume von der Weltherrschaft. Ich legte die DVD auf den Tisch zurück und bückte mich nach den Büchern. Das Mathebuch lag aufgeschlagen und entblätterte ein Foto. Maxi schnappte danach, aber ich war ausnahmsweise schneller. Es zeigte einen hübschen jungen Burschen mit rötlich blonden Locken und aufgeworfenem Mund. Auf der Rückseite stand, von einem Herzchen umrahmt, in lila Tinte das Wort: Jannik. Tja, manchmal war mein Arsch halt intelligenter als ich.
    »Jannik Filser?«
    Maxi nickte.
    »Er ist es, den Vickys Rinder totgetrampelt haben.«
    Maxi nagte an der Unterlippe. »Aber komisch daran ist, dass Jannik eigentlich gerade Wildwasserfahren in der Schweiz ist.«
    »Und das hier?« Ich winkte mit dem Foto.
    »Das … das weiß ich auch nicht, wie das in mein Mathebuch kommt.« Sie schwadronierte wie eine zur Rede gestellte

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