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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Vaters negieren zu müssen, negiert er dann auch einen Teil des eigenen Wesens. Unfrieden und Unzufriedenheit sind die Folge.«
    »Das haben Sie in Ihrer Predigt ja unmissverständlich ausgedrückt.« Tückisch gewährte Richard dem Pfarrer das Lob, das der gefordert hatte, und als Frischlin zufrieden lächelte, kam der Nachschlag. »Allerdings will mir scheinen, dass die Rolle von Gott weder auf meinen Vater noch die Rolle von Jesus auf mich passt.«
    Die Schluckpause Frischlins kam wiederum mir gut zupass.
    »Herr Frischlin, wissen Sie schon, dass Victor Binder im Krankenhaus liegt?«
    »Oh! Nein. Ist es was Schlimmes?«
    »Gift. Er war heute Nacht schon zwei Mal tot!«
    »Um Gottes willen!« Mit den Händen griff er sich in den Talar, als wolle er sich die albern gewordene Verkleidung vom Leib reißen. »Das ist ja eine fürchterliche Nachricht. Ich muss sofort … wo liegt er denn? Wird er überleben?«
    »Vermutlich.«
    »Sie sagten: Gift. Was für ein Gift?«
    »Das steht noch gar nicht fest!«, mahnte Richard. »Die Ärzte erwägen auch eine Sepsis. Ein Insektenstich hat sich entzündet.«
    »O Gott!«
    »Herr Frischlin«, mischte ich mich wieder ein. »Victor war doch gestern Nachmittag bei Ihnen.«
    Frischlins Blick eierte. »Ja. Aber …«
    »Worum ging es? Um Janniks Tod?«
    »Das kann und darf ich mit Ihnen nicht erörtern.«
    »Aber dem Beichtgeheimnis unterliegen Sie nicht!«
    »Nein, aber …«
    »Herr Frischlin«, griff Richard im Amtston ein, »wenn Sie etwas wissen, das zur Aufklärung der tragischen Ereignisse beitragen könnte, dann bitte ich Sie: Gehen Sie umgehend zur Polizei. Die werden Ihre Einlassungen mit absoluter Diskretion behandeln.«
    Frischlin nickte vor sich hin. »Sie haben Recht.«
    »Herr Frischlin, wie ist denn Ihr Verhältnis zu Victor?«, fragte ich journaillenwüst. »Sind Sie auch schwul?«
    »Das, mit Verlaub, ist eine Frage, die ich nicht einmal meinem Arbeitgeber beantworten muss!«
    »Es würde aber weiterhelfen!«, insistierte ich.
    »Ich wüsste nicht, inwiefern«, antwortete Frischlin. »Ich kann Ihnen nur so viel sagen: Die Bibel verurteilt homosexuelle Neigungen nicht ausdrücklich. Jesus sagt gar nichts dazu. Ich vertrete die Ansicht, dass in den fraglichen Passagen in den Briefen von Paulus die gleichgeschlechtliche Sexualität nur als eine unter vielen Lastern erwähnt wird, denen ein von Gott abgefallenes und verdammtes Volk verfallen ist. Hier geht es nicht um Liebe, die auf Partnerschaftlichkeit und Dauer angelegt ist, sondern um die Verfallenheit des Menschen an die Sünde im Allgemeinen, aus der ihn nur Gott erretten kann und aus der nur errettet wird, wer in Gott lebt und ehrlichen Herzens die Gerechtigkeit sucht.«
    »Wissen Sie, was Victor dazu denkt?«, erkundigte ich mich.
    »Er glaubt, dass Homosexualität in der Natur haufenweise vorkommt und mithin natürlich ist. In tierischen Gesellschaften, hat er mir einmal erklärt, wird abweichendes Verhalten stets toleriert, solange es nicht den Gesamtfrieden stört.«
    »Und wie stehen Sie dazu?«
    »Die biologischen Aspekte kann ich nicht beurteilen. Aber die Überlegung ist erlaubt, ob wir die Bibel in jedem Fall wörtlich nehmen müssen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Erde nicht so entstanden wie in der Schöpfungsgeschichte beschrieben. Deshalb kann man die Ansicht vertreten, dass die Aussagen in der Bibel über die Widernatürlichkeit gleichgeschlechtlicher Verhältnisse ebenfalls nicht wörtlich genommen werden müssen. Da waren die Autoren Kinder ihrer Zeit.«
    »Und der Heilige Geist hat gerade mal Pause beim Diktieren gemacht«, konnte ich mir nicht verkneifen.
    »Das mögen Sie spaßig finden, Frau Nerz, aber …«
    »Nein, gar nicht, wenn einer wie Vicky an dem Widerspruch von Biologie und Bibel zerbricht!«
    »Das ist keineswegs der Fall. Dafür lebt Victor zu tief im Glauben. Er fühlte sich nur durch die kompromisslose Rigorosität seines Großonkels Martinus in diesen Fragen zeitweise verunsichert. Deshalb hat er – vor drei Jahren schon, als ich gerade hier anfing – das Gespräch mit mir gesucht. Übrigens hat auch Ihr Herr Vater«, wandte sich Frischlin an Richard, »mich nach meinem Standpunkt gefragt. Wobei er sich durchaus offen zeigte für mein Argument, dass die Kirche und ich als ihr Vertreter niemanden ausgrenzen dürfen, sondern dass wir die Türen öffnen müssen für jeden, der Gottes Nähe sucht. Beantwortet das Ihre Fragen?«
    »Nicht im Geringsten«, erwiderte Richard, der

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