Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)
dass Peter für ein paar Tage nach Oregon gefahren war.
Gelangweilt lümmelte er vor dem Fernseher herum. Hatte sich ein paar Aktenordner aus dem Büro mitgenommen. Vorarbeiten. Heute Abend würde er sich den Porno anschauen, den er seit drei Jahren im Schrank vor Liz versteckte.
Der Gedanke daran erregte ihn so sehr, dass er sich sofort auf der Couch einen runterholte. Liz und er hatten seit Monaten keinen Sex gehabt. Verdammt, war es wirklich Monate her? Erschrocken stellte er fest, dass er sie gar nicht vermisste. Wo war sie noch mal genau hingefahren? Eigentlich war es ihm egal.
Seit geraumer Zeit hatte er das Gefühl, er müsse etwas unternehmen, um ihre Ehe zu retten. Seit dem Wochenende in Summerland. Als ihm Peter klargemacht hatte, wie so etwas ablief. Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihnen etwas entglitt. Ihnen beiden. Vielleicht war es kein Zufall, dass sie mit ihrer Freundin weggefahren war. Weg von ihm. Seine Gedanken gingen weiter zurück.
Sein Freund Larry Greenblatt war gerade nach New York gezogen, das war 1979 gewesen.
Die Wochenenden waren ruhiger geworden. An einem Samstag hatte er sich auf einen kleinen Flohmarkt an der Fairfax Avenue verirrt, ließ sich treiben. Eine Bluegrass Band spielte. Für einen Dollar konnte man Lotterielose kaufen, es gab ein Auto zu gewinnen.
Er brauchte einen Stift, um seinen Namen auf dem Los einzutragen. Da fiel ihm die zierliche Brünette auf, die an einem der wackeligen Bistrotische stand. Konzentriert kritzelte sie auf ihrem Lotterielos herum. Das lockige Haar fiel ihr ins Gesicht. Hübsch. Sie hatte seinen Blick nicht bemerkt.
Als er sie ansprach, zuckte sie leicht zusammen. Sie war gut zwei Köpfe kleiner als er. Errötend hatte sie zu ihm aufgesehen, als er sie um ihren Kuli bat. Schüchternes Lächeln. Sie hieß Liz und ließ sich noch am selben Tag auf einen Kaffee einladen.
Langsam öffnete er die Augen. Licht fiel durch die Pupillen auf seine Netzhaut.
Vorsichtig stand er auf. Streckte langsam den Oberkörper durch. Erstaunt stellte er fest, dass er sich wach und erholt fühlte. Keine Spur von Müdigkeit oder Verspannung.
Wie lange hatte er sich ausgeruht? Drei Tage? Fünf? Er lauschte. Das leise Rauschen der Aircondition, ein paar Vögel im Garten, das Surren des Kühlschranks.
Es war hell. Mittag.
Er fand sein Handy in der Küche. Agnes hatte acht Mal angerufen.
Sein Magen zog sich zusammen. Agnes rief nie an. Das konnte nur eines bedeuten.
Ruhig tippte er den Code ein und hörte seine Mailbox ab.
23
»Tim. Wo steckst du?« Die brüchige Stimme seiner Schwester. »Derek hat mir diese Nummer gegeben. Vater ist im Krankenhaus. Er … Die Ärzte sagen, es geht zu Ende. Komm, sobald du kannst. Wenn du ihn noch mal sehen willst.«
Er meinte Missbilligung in ihrer Stimme zu hören, was er ihr nicht verdenken konnte. Jahrelang war sie es gewesen, die sich um den Alten gekümmert, Wochenenden im Altersheim verbracht hatte, nur um sich noch von ihm beleidigen zu lassen. Tim war froh darum gewesen, dass er es nicht hatte übernehmen müssen.
Ruhig legte er das Telefon beiseite und machte Kaffee.
Wartete auf ein Gefühl, das sich nicht einstellen wollte.
Sein Vater lag im Sterben. Er verspürte Erstaunen darüber, Ungläubigkeit, dass es mit dem einstigen Monster zu Ende ging.
Wie oft hatte er sich genau das gewünscht als Kind. Doch der Alte war immer gefährlich unverwundbar gewesen.
Die Milch war sauer geworden. Er trank den Kaffee schwarz. Sog den würzig herben Geruch ein. Agnes’ Stimme echote in seinem Kopf.
»Es geht zu Ende. Komm, sobald du kannst. Wenn du ihn noch mal sehen willst.«
Was war jetzt zu tun?
Er musste Derek anrufen. Zwei Flüge buchen. Nach Little Rock.
Er fand nur Flüge für den nächsten Morgen. American Airlines über Dallas. Sechs Uhr früh ab LAX .
Ob es schon zu spät war?
Er suchte Agnes’ Nummer raus und wählte.
»Ja?« Ihre Stimme verschlafen.
»Ich bin’s, Tim.«
Er ging einfach davon aus, dass Derek mitkommen würde. Allerdings konnte er sich da nicht so sicher sein, nach allem, was passiert war. »Wir kommen morgen Nachmittag an.«
Agnes schien verwirrt. »Was? Ach … entschuldige, ich war eingenickt. Bin im Krankenhaus … Ist alles in Ordnung mit dir? Ich konnte dich ewig nicht erreichen.« Vorwurfsvoll.
Sie war im Krankenhaus, das bedeutete, dass der Alte noch lebte.
Er fasste sich kurz. Sie würden gegen eins in Little Rock ankommen und dann einen Mietwagen nehmen. Der Vater lag
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