Allmen und die Dahlien (German Edition)
April angekommen. Ein gewisser Jeremy Brown aus Birmingham und ein Daisuke Moriwaki aus Osaka. Beide sind schon am nächsten Tag abgereist. – Carlos? Sind Sie noch da?«
»Sí, Don John, estoy pensando.«
»Worüber denken Sie nach?«
»Es sind viele Verdächtige.«
Allmen nahm die Liste und rechnete vor: »Sechsundzwanzig Hotelangestellte, sieben Lieferanten, neun Angestellte im Vierten plus drei Lieferanten vom Vierten. Plus acht Gäste, vielleicht noch mehr, wenn wir die Dauergäste dazunehmen und die, die nach dem vierten April angekommen sind. Macht insgesamt mindestens – dreiundfünfzig. Dreiundfünfzig, Carlos! Wo fangen wir da an?«
» Con las relaciones, Don John. Wie standen die dreiunddreißig des Hotels und die zwölf der vierten Etage zueinander?«
Allmen seufzte. »Das schaffe ich nicht.«
» Con todo el respeto, Don John: Nein, das schaffen Sie nicht.«
»Und? Was schlagen Sie vor?«
»Sie übernehmen die Gäste. Und wir den Rest.«
»Wir?«
14
Die Uniform war schon etwas abgetragen, aber okay: schwarzer Rock mit weißer Schürze, schwarze Bluse mit weißem Kragen und weißen Umschlägen an den kurzen Ärmeln. Kein Häubchen.
María Moreno stand vor dem Spiegel in der Personalgarderobe. Neben ihr Pita Costa aus Ecuador, die Kollegin, die sie einführen sollte.
Pita war klein und rund, um die dreißig und von überwältigender Herzlichkeit. Sie war das einzige südamerikanische Zimmermädchen und konnte ihr Glück kaum fassen, jetzt eine Arbeitskollegin aus dem Nachbarland zu haben. Vom ersten Moment an nannte sie María Moreno vecina, Nachbarin.
María war sich sicher, dass sie alles von ihr erfahren würde, was sie wissen wollte. Und alles andere auch.
Pita hatte keine Zeit für Atempausen. Sie sprach und atmete gleichzeitig. Wenn ihr am Ende eines Themas kein neues einfiel – was nicht oft vorkam –, dann wiederholte sie das Gesagte einfach. Wörtlich, wenn es ihr noch frisch genug in Erinnerung war.
Im Moment sprach sie über die Uniform. »Für mich wäre Kasack oder Tunika besser, weißt du, wie im Krankenhaus, mit Hosen, mit meinen Beinen, aber für eine Figur wie deine ist das natürlich hübscher, ich würde« – sie fasste mit beiden Händen Marías Rocksaum und schlug ihn einmal um –, »ich würde ihn kürzer tragen, schau, so, drei Finger über dem Knie, wenn ich deine Beine hätte…«
Pita ging voraus in den Korridor und führte María zu einem Putzraum. Er besaß keine Fenster, es roch ungelüftet und nach Reinigungsmitteln. An allen Wänden befanden sich Einbauschränke. In der Raummitte Putzwagen und Staubsauger.
Pita öffnete einen Schrank mit Tissue-Boxen, Seifen, Shampoos, Body Lotions und so weiter. Sie begann, einen Vorrat davon auf den Putzwagen zu packen, ohne ihren Redefluss zu unterbrechen.
Dann zeigte sie auf den Staubsauger und öffnete die Tür. »¡Vámonos, vecina!«
María griff sich den Staubsauger und zog ihn hinterher.
Der Personallift hatte einen Holzboden und unverkleidete Metallwände. Er fuhr langsam und schwankend in die dritte Etage. María stellte sich vor, wie er an einem einzigen Drahtseil baumelte, gezogen von ausgeleierten Zahnrädern und kaum gehalten von den lockeren Führungsschienen. Sie war froh, als sie aussteigen konnten. María Moreno hasste Aufzüge.
Pita sah auf ein Blatt. Es war auf ein Brett geklemmt, das am Putzwagen hing, und enthielt eine Tabelle mit den Zimmern. »Wir fangen bei der Dreihundertneun an, Dreihundertsieben und -acht sind leer«, erklärte sie.
Aber an der Türklinke der Dreihundertneun hing das Schild »Bitte nicht stören«. Pita verdrehte die Augen. »Die sind beim Frühstück und wollen nicht, dass wir hier drin sind, wenn sie zurückkommen.«
Sie gingen weiter zur Dreihundertzehn. Pita klopfte an. »Housekeeping!«
Keine Antwort. Sie nahm den Passepartout aus der Schürzentasche und schloss auf. »Nichtraucherzimmer«, sagte sie verächtlich und schnupperte. Das Zimmer stank nach kaltem Rauch. Auf dem ungemachten Bett lagen Kleider, feuchte Frottiertücher und eine Zeitung. Ein offener Rollkoffer stand auf einem Klappgestell. Zuoberst zwei frische Hemden, drapiert mit gebrauchten Unterhosen und Socken. Auf dem Schminktisch ein Laptop, daneben ein Zahnglas mit Asche und Stummeln, zwei leere Miniwhiskys und eine leere Erdnusspackung.
Pita öffnete beide Fenster und ging ins Bad. Dort bot sich ein ähnliches Bild: Frottiertücher auf dem Boden, eine große Pfütze neben der Badewanne, zwei
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