Allmen und die Dahlien (German Edition)
Aufschrift »Kein Durchgang« kam der Nachtportier. Er durchquerte, ohne Allmen zu bemerken, rasch die Halle und ging zum Haupteingang hinaus. Durch die Glastür sah Allmen ihn ungeduldig warten.
Der Nachtportier war das Gegenstück zu Herrn Klettmann, dem dünnen, langen kahlen Concierge. Er war untersetzt und bullig, trug einen struppigen Schnurrbart, und sein Haar war drahtig und widerspenstig. Er hatte sich eine Zigarette angesteckt, hielt sie in der hohlen Hand verborgen und zog in kurzen Abständen nervös daran.
Das Dingdong des ankommenden Aufzugs erklang, die Lifttür öffnete sich, und Madame Gutbauer schob sich hinter ihrem Gehgestell hastig in die Halle. Ihre Pflegerin stützte sie, Cheryl Talfeld folgte den beiden.
Die drei Frauen gingen auf die Tür zu, aus der der Nachtportier gekommen war, und verschwanden.
Allmen stellte den Cognacschwenker, den er in beiden Händen gewärmt hatte, auf das Clubtischchen, ging zu der geheimnisvollen Tür und öffnete sie. Er befand sich in einem Korridor mit drei Türen. Die am Ende des Ganges stand offen, es roch nach Essen.
Er ging hinein und befand sich in der Küche. An der Doppelschwingtür zum Restaurant öffnete sich die Ansammlung der Köche und Küchenhilfen, um Madame Gutbauer und ihren Begleiterinnen Platz zu machen.
Allmen hatte jetzt beinahe zu ihnen aufgeschlossen, und das Küchenpersonal, das annahm, er gehöre dazu, wollte ihn ebenfalls durchlassen. Aber er schüttelte den Kopf und blieb in der Tür stehen.
Am Tisch des toten Dauergastes standen die Kellner, der Chef de Service und der Gast, der offenbar Arzt war. Madame Gutbauer gesellte sich zu ihnen.
Der Chef de Service hob das Tischtuch. Herr Frey saß in derselben Stellung dort, in der ihn der Tod ereilt hatte: in sich zusammengesunken, das Kinn auf der Brust, die Arme auf den Armlehnen. Mit seiner kalkweißen Haut, den fast schwarzen Augenhöhlen und seinem zu einem Lächeln halbgeöffneten Mund, der die Zahnprothese entblößte, sah sein Kopf aus wie ein Totenschädel.
Madame Gutbauer starrte ihn stumm an. Plötzlich drang ihre Stimme durch die Stille. »Hardy, Hardy«, sagte sie tadelnd. Dann wendete sie ihr Gehgestell und steuerte, gefolgt von ihrer Eskorte, wieder auf die Schwingtür zu.
Die Schaulustigen in der Küche machten ihnen Platz. Nur Cheryl Talfeld streifte Allmen mit einem Blick, als sie an ihm vorbeigingen. Er folgte ihnen mit etwas Abstand und sah sie im Aufzug verschwinden.
Der ganze Auftritt hatte nur ein paar Minuten gedauert. Allmen ging zurück zu seinem Armagnac. Das »Hardy, Hardy« ging ihm nicht aus den Ohren. Woher kannte sie den Toten? Was war die Geschichte hinter dieser Szene?
Die Eingangstür ging auf, der Nachtportier kam herein, gefolgt von Notärztin und Rettungssanitätern mit einer Fahrtrage. Er dirigierte sie zur Tür, die in die Küche führte.
Kaum war der Nachtportier zurück, betraten zwei Polizisten die Halle. Sie waren in Begleitung eines Mannes in Zivil, wahrscheinlich ebenfalls ein Beamter.
Sie blieben nicht lange, und kurze Zeit, nachdem sie gegangen waren, wurde die Fahrtrage herausgeschoben.
Ein Mann betrat die Empfangshalle und stellte sich der Ambulanzbesatzung in den Weg. »Was ist mit ihm? Ich bin der Großneffe.«
Der Mann mochte in Allmens Alter sein. Er hatte dichtes weißblondes Haar, trug einen schwarzen Anzug mit einer gelbweißgestreiften, breiten Krawatte, deren Knoten über dem offenen Hemdkragen gelockert war, und hatte einen hellbeigen Trenchcoat übergeworfen. Er sah aus, als wäre er von einem Abendessen weggerufen worden.
Die Notärztin lüftete die grüne Decke über dem Gesicht des Toten.
»Woran ist er gestorben?«
»Sein Herz hat aufgehört zu schlagen«, erklärte sie behutsam.
»Einfach so?« Die Frage des Großneffen klang etwas vorwurfsvoll. »Wohin bringen Sie ihn?«
»Ins anatomische Institut. Wollen Sie mitkommen?«
Der Großneffe zögerte. »Ist das üblich?«, fragte er schließlich.
Die Notärztin zuckte mit den Schultern. Sie war jung und ernst und sah müde aus.
»Ich meine: Braucht es mich?«
»Brauchen? Brauchen nicht.« Sie folgte den Sanitätern, die schon dabei waren, die Fahrtrage die paar Treppenstufen vor dem Hotel hinunterzutragen.
Der Großneffe blieb zurück, hilflos und noch immer unentschlossen.
Der Nachtportier ging zu ihm. »Kommen Sie in die Bar, Herr Tenz, Sie brauchen etwas Starkes. Ihm können Sie jetzt nicht mehr helfen.« Er legte ihm die flache Hand auf den Rücken
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