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Allmen und die Dahlien (German Edition)

Allmen und die Dahlien (German Edition)

Titel: Allmen und die Dahlien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Zigaretten in der Seifenschale. Sie ging zur Toilette und betätigte die Spülung. »Cerdo«, murmelte sie, Schwein.
    María öffnete das Fenster. »Gracias«, sagte Pita. Dann reichte sie ihr ein Paar Gummihandschuhe und zog sich selber welche an. Sie deutete auf die Badewanne. »Zuerst mit der Dusche die Haare runterspülen, dann damit.« Sie überreichte ihr ein Putzmittel. Danach kniete sie sich vor die Toilettenschüssel und begann, sie zu reinigen.
    »Noch nie in einem Hotel geputzt, vecina ?«
    »Geputzt schon, aber noch nie in einem Hotel.«
    »Privat ist nicht so schlimm.«
    »Ich habe mal für einen Russen gearbeitet. Der war noch schlimmer als der hier«, erzählte María.
    Beide putzten.
    »Manchmal wünscht man sie zum Teufel«, sagte Pita.
    »Der Russe ist bereits beim Teufel.«
    »Gestorben?«
    »Umgebracht.«
    »¡Madre mía del Cielo!« Heilige Mutter Gottes!
    »Und schuldet mir noch Lohn.«
    »Son los peores«, das sind die Schlimmsten.
    María war jetzt fertig mit der Badewanne und wollte sich das Waschbecken vornehmen.
    »Tu mir einen Gefallen, vecina : Wenn du hinausgehst, hat es schräg gegenüber zwei Türen. Hinter der rechten ist die Wäschekammer. Dort findest du Leintücher und Bettbezüge. Wir müssen das Bett von diesem Ferkel neu beziehen.«
    Es waren zwei Türen. Auf der einen stand »Privat«, auf der anderen stand nichts. María wählte die unbeschriftete und betrat einen Raum, der nach frischer Wäsche roch. In den Schränken lagen Stapel von Bettwäsche, alle mit vergilbten Schildchen angeschrieben. Sie nahm ein »Unterleintuch Doppel« und ein »Oberleintuch Doppel«, zwei »Kopfkissen groß«, zwei »Kopfkissen klein« und eine »Bettdecke Doppel« und verließ den Raum.
    Als sie die Tür schloss, fiel ihr Blick wieder auf das »Privat« an der Nebentür. Sie öffnete sie und sah einen kurzen Korridor und eine Treppe. María sah sich um und stieg die paar Stufen hinauf zum ersten Absatz. Dort ging die Treppe in einem rechten Winkel weiter. Sie nahm noch ein paar Stufen, bis sie das Ende der Treppe sah. Dort befand sich ein kleiner Vorraum zu einer seltsamen Tür. Sie hatte keine geschwungenen Füllungen und Messingklinken wie die anderen Türen im Haus. Sie war aus Stahl, hatte einen Türspion und statt einer Klinke einen starren Griff. Sie sah aus wie der Eingang zu einem Tresorraum.
    Sie ging zurück, die Treppe hinunter. Auf dem kurzen Korridor kam ihr Pita entgegen. »¿Pero qué estás haciendo?«
    »Falsche Tür«, antwortete María.
    Pita warf einen Blick auf das Bettzeug, das María trug. »Da darfst du nicht rauf.«
    »Was ist dort?«
    »Die vierte Etage. Gehört nicht mehr zum Hotel.«
    »Und wer wohnt dort?«
    » La dueña, die Besitzerin.«
    Sie brauchten mehr als dreißig Minuten für die Dreihundertzehn, doppelt so lange wie für ein anständiges Zimmer, wie Pita es nannte.
    Beim Betreten der Dreihundertdrei bekreuzigte sich Pita.
    »¿Qué pasa?« Was ist los?
    »Das Zimmer eines Toten«, erklärte Pita und erzählte vom plötzlichen Ableben von Don Hardy.
    »Una muerte discreta«, sagte María.
    Sie befanden sich in einem Wohnzimmer. Die Einrichtung war zusammengewürfelt aus Hotelmobiliar und Möbeln, denen man ansah, dass sie ihren Besitzer ein bewegtes Leben lang begleitet hatten. Da war eine schwarze, mit Messingbeschlägen verzierte chinesische Kommode, ein bemaltes marokkanisches Couchtischchen, ein mächtiger englischer Mahagonischreibtisch und ein chinesischer Paravent aus brüchiger Seide.
    Auf sämtlichen Ablageflächen standen Nippes aus aller Welt, und an den Wänden hingen Fotos, die den verstorbenen Bewohner des Zimmers als jungen, als reifen, als älteren und als alten Mann zeigten. Auf Reisen, bei Festen und mit wechselnden Begleiterinnen. Er war in seinen besten Jahren ein gutaussehender, eleganter Mann gewesen.
    Es roch seltsam, wie in einem längst verlassenen Haus.
    Eine Tür führte in ein unbenutztes Bad, eine andere ins Zimmer dreihundertzwei. Es war abgedunkelt, aber durch einen Spalt zwischen den Vorhängen fiel ein Streifen Licht aufs Bett. Als wäre der Tote dort aufgebahrt. Es roch muffig, wie die Haufen der Kleidersammlungen aus Europa an den kolumbianischen Verkaufsständen, in denen María Moreno früher nach Tragbarem gewühlt hatte.
    Pita machte Licht. Das Kopfteil des Bettes war hochgeklappt, am Fußende stand ein überdimensionierter Flachbildschirm. Die gleiche Hotelsitzgruppe wie im Nebenzimmer wurde hier ergänzt durch einen

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