Allmen und die Dahlien (German Edition)
den zweiten Sessel, streifte die silbernen Schlappen ab, zog die Füße auf das Polster und umschlang ihre Knie. »Tengo miedo«, sagte sie, ich habe Angst.
Carlos verstand sie, auch ihm war etwas mulmig geworden. Aber um sie nicht noch mehr zu beunruhigen, antwortete er: »Bestimmt ist es ein Zufall. Heutzutage werden Leute mitten auf der Straße überfallen. Ich glaube nicht, dass es etwas mit dem Fall zu tun hat.«
»Wurde er denn ausgeraubt?«
» A saber , ich konnte nicht mit ihm sprechen.«
»Du hast ihn doch zu Bett gebracht. Da müsstest du doch wissen, ob seine Sachen noch in den Taschen waren.«
»Es war alles da: Portemonnaie, Brieftasche, Notenklammer, Handy und Taschenmesser. Seine fünf Sachen, nicht mehr und nicht weniger.«
»Siehst du. Ich sage dir, es hat mit den Dahlien zu tun. Wo war er heute Abend?«
Carlos gab auf. María war in alles andere eingeweiht, warum nicht auch in das. »Er wollte die andere Dalia treffen. Die Freundin von Rebler.«
Sie schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.
»Ich habe ihm gesagt, es sei gefährlich. Alte Männer mit jungen Frauen sind immer gefährlich.«
»Und was hat er gesagt?«
»Detektiv sei ein gefährlicher Beruf.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nur dummer Detektiv ist ein gefährlicher Beruf.«
»¡María, por favor!«
Sie umschlang ihre Knie noch etwas enger und murmelte: »Ist doch wahr.«
Jeder hing seinen Gedanken nach, bis Carlos sagte: »Vielleicht war es nur Eifersucht. Rebler lässt sie überwachen und jeden zusammenschlagen, der ihr zu nahe kommt.«
»Hoffentlich hast du recht.«
»No tenga pena.« Er ging zum Ofen, schob ein Scheit nach, setzte sich wieder und sah sie an. Sie war eingenickt. »Geh schlafen, mi amor «, sagte er sanft.
Sie schlug die Augen auf und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht schlafen.«
Carlos sah zum Glasdach hinauf. Nur die abgeschirmte Leselampe brannte. Das Licht, das sie auf ihn warf, spiegelte sich in der Scheibe, aber an der Spiegelung vorbei konnte er den Halbmond sehen. Er sah auf die Uhr. Fast halb drei. Bei ihm zu Hause in Guatemala war es jetzt auch dunkel geworden, und man sah denselben Mond.
Er musste eingeschlafen sein. Don John stand im Morgenmantel neben ihm und berührte seine Schulter.
»Don John, disculpe «, rief er aus. »¿Todo bien?«
»Nein«, gab Allmen zur Antwort. »Nicht alles gut. Alles tut weh.«
Carlos war aufgesprungen und überließ seinem Patrón den Sessel. María schlief weiter.
Sie unterhielten sich leise, um sie nicht zu wecken.
»Sie haben mir Schmerzmittel mitgegeben, aber Sie dürfen es erst in einer Stunde nehmen.«
Allmen streckte die Hand aus.
»In einer halben Stunde.«
Allmen behielt die Hand ausgestreckt.
»Usted manda«, seufzte Carlos, Sie befehlen. Er ging in die Küche und kam mit einem Tablett zurück, auf dem ein Glas Wasser und ein Tellerchen mit einer rosaroten Tablette standen.
Carlos sah auf Allmen hinunter. Er sah elend aus mit seinem geschwollenen Gesicht, seinen verstrubbelten Haaren und wie er mit seiner ungeschickten linken Hand versuchte, nach der Pille zu angeln und das Glas an die Lippen zu führen.
»Don John«, sagte er leise, »ich habe über Tino Rebler nachgeforscht.«
»Und?«
»Vor drei Jahren hat ein Türsteher vor einem seiner Clubs einen jungen Mann so verprügelt, dass er noch an Ort und Stelle starb.«
»Davon habe ich gehört.«
»Der Täter wurde nie gefasst. Es heißt, Tino Rebler habe ihn noch in der gleichen Nacht persönlich nach Mailand chauffiert und ihm ein Flugticket nach Rio bezahlt. Beweisen konnte man es ihm nicht.«
»Danke, Carlos. Ich werde mich von Rebler und seinen Leuten fernhalten.«
Carlos blickte zu María Moreno, sie schlief noch immer. »Wenn es nicht schon zu spät ist.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Falls die italienische Dalia erzählt hat, dass Sie das Bild bei ihr suchen, sind Sie in großer Gefahr.«
»Ich glaube nicht, dass sie es erzählt.«
»Wenn Rebler das Foto des Bildes sieht, weiß er Bescheid.«
»Er wird es nicht sehen, ich habe es ihr nur kurz gezeigt und wieder eingesteckt.«
Plötzlich Marías Stimme: »In Ihren Taschen war das Foto nicht, Señor John.«
10
Durch die klapprigen Fenster hinter den geschlossenen Vorhängen hörte er den Aufsitzmäher lauter werden, dann leiser, verstummen, lauter werden, leiser, verstummen. Ein hingebungsvollerer Diener hätte ein paar Tage freigenommen, bis sein Herr wieder einigermaßen auf den Beinen war. Auch Carlos, bevor er mit
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