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Allmen und die Dahlien (German Edition)

Allmen und die Dahlien (German Edition)

Titel: Allmen und die Dahlien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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auf das Bild reagiert hatte, musste sie es kennen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie es von Tino Rebler als Ersatz für das, das ihm bei der Auktion entgangen war, geschenkt bekommen hatte, war groß. Und woher wusste der von dem Bild? Und wer hatte ihm dazu verholfen?
    Claude Tenz, natürlich. Der verschwundene Großneffe.
    Allmen bezahlte. Das Schlosshotel lag nur ein paar Gehminuten von der Goldenbar entfernt, und ein kleiner Spaziergang würde ihm guttun.
    Der Abend war trocken und mild. Auf den Parkbänken an der Seepromenade saßen schon Leute, die sich nach dem Sommer sehnten.
    Allmen knöpfte den Trenchcoat auf und versenkte beide Hände in die Hosentaschen. Bald hatte er die kleine Parkanlage erreicht, nach welcher er die Straße zum Schlosshotel überqueren würde.
    Es ging alles ganz schnell. Jemand packte ihn von hinten und presste mit stählernem Griff seine Ellbogen auf dem Rücken gegeneinander. Allmen schrie auf, aber der Schrei wurde von einem Schlag in den Magen abgeschnitten. Während er nach Atem rang, trafen ihn zwei fürchterliche Schläge im Gesicht. Der Mann hinter ihm ließ ihn los, Allmen ging zu Boden.
    9
    In der Glasbibliothek des Gärtnerhauses brannte Licht, und die Klänge einer Marimba drangen in den nächtlichen Park. Carlos hatte das Bügelbrett aufgestellt und arbeitete an Allmens Hemden. María saß im Lesesessel des Patróns und nähte Hemdenknöpfe an. Das Feuer im Schwedenofen wäre nicht nötig gewesen an diesem lauen Vorfrühlingstag, aber es machte den Abend noch gemütlicher. Die Dampfdüse des Bügeleisens zischte von Zeit zu Zeit zu den wehmütigen Marimbaklängen der Geschwister Ramirez. Carlos kam sich vor wie ein zufriedener Ehemann, nur die Kinder fehlten.
    »María?«, sagte er.
    »Sí«, antwortete sie abwesend.
    »Te quiero mucho.«
    Jetzt sah sie auf und lächelte. »Ich dich auch.«
    In diesem Moment klingelte das Telefon. Carlos meldete sich.
    Am anderen Ende sagte eine Frauenstimme »Huber, Notfall Stadtspital, spreche ich mit Herrn de Leon?«
    »Ist etwas passiert?«, fragte Carlos erschrocken.
    María legte ihre Näharbeit über die Armlehne des Sessels und kam ebenfalls zum Telefon. Sie sah Carlos besorgt an.
    »Herr von Allmen hatte einen Unfall –«
    »¡Madre mía!«, rief Carlos.
    »Es ist nicht schlimm«, beruhigte ihn die Frau. »Er bat mich, Sie anzurufen. Er möchte, dass Sie ihm seinen Chauffeur schicken. Am besten kommen Sie mit. Er hat etwas Starkes zur Beruhigung bekommen.«
    Carlos versicherte, dass er sofort kommen werde, und legte auf.
    »¿Qué pasó?«, fragte María Moreno.
    »Don John tuvo un accidente«, erklärte er und wählte bereits die Nummer von Herrn Arnold. Er erreichte ihn. Der Taxichauffeur hatte eigentlich schon Feierabend, aber ein Notfall mit Herrn von Allmen, das war natürlich etwas anderes.
    »¿Grave?«, erkundigte sich María.
    »Sie sagen, nein, nicht schlimm. Er darf nach Hause. Er hat mir bestellen lassen, ich solle seinen Chauffeur schicken.«
    »Seinen Chauffeur? Hat er seinen Chauffeur gesagt?«
    Er nickte.
    María lächelte. »Dann ist er schon wieder der Alte.«
    Aber aussehen tat er nicht wie der Alte, als Allmen eine Dreiviertelstunde später in den Warteraum der Notfallstation geführt wurde. Eher wie ein Schwergewichtsboxer nach einer vernichtenden Niederlage. Das rechte Auge zugeschwollen, über der Braue ein mit vielen Stichen genähter Riss, auf der linken Wange ein Heftpflaster und der rechte Arm in einer Schlinge.
    Allmen, der sich etwas einbildete auf seine aufrechte Haltung, ging gebeugt und mit kleinen, vorsichtigen Schritten.
    Der hünenhafte Pfleger übergab seinen Patienten dem kleinen Carlos, der ihn unbeholfen und verlegen hinausstützte. Beide, Diener und Herr, waren eine solche körperliche Nähe nicht gewohnt.
    Kaum war Allmen mit Herrn Arnolds Hilfe auf den roten Lederrücksitz des Cadillacs gebettet, schlief er ein. Sie fuhren schweigend zur Villa Schwarzacker zurück. Auch dort war Carlos auf die Unterstützung von Herrn Arnold angewiesen. Die beiden brachten Allmen zu Bett.
    Während Carlos’ Abwesenheit hatte María Moreno die Bügel- und Nähsachen aus der Bibliothek weggeräumt und das Feuer ausgehen lassen. Jetzt heizte sie wieder ein und machte eine Kanne Tee. Sie wollten abwechselnd Nachtwache halten, Carlos übernahm die erste Schicht.
    Aber es dauerte nicht lange, bis Carlos ihre leichten Schritte auf der Holztreppe hörte. María trug ihren gesteppten Schlafmantel, setzte sich in

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