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Allmen und die Dahlien (German Edition)

Allmen und die Dahlien (German Edition)

Titel: Allmen und die Dahlien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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erschrak, als er seinen Lieblingskunden sah. »Um Himmels willen, Herr von Allmen«, rief er aus, »so schlimm, das Auge?«
    »Das wird schon wieder«, beruhigte ihn Allmen und wehrte Arnolds helfenden Arm ab. Er nahm mit der Linken den Mantel von den Schultern, warf ihn auf den Sitz, hielt sich am Haltegriff über der Türöffnung und ließ sich mit zusammengebissenen Zähnen hineingleiten. Herr Arnold schloss die Tür mit übertriebener Sorgfalt.
    »Man ist nirgends mehr sicher«, schimpfte er, während sie den Villenhügel hinunter zur Stadt fuhren.
    Allmen antwortete nicht. Er hatte an Herrn Arnold immer geschätzt, dass er keine ausländerpolitischen Taxifahrergespräche führte. Er wollte nicht damit anfangen.
    Auch beim taubengrau uniformierten Türsteher und bei Herrn Klettmann, dem Concierge, erregte sein Auftritt Aufsehen. Aber Allmen winkte ab wie ein Westernheld. Nur ein Kratzer.
    »Ist Frau Talfeld im Haus?«, fragte er. Er wollte den Schwung ausnutzen.
    Herr Klettmann nickte.
    Allmen ließ sich verbinden und bat sie um ein Treffen.
    »Wann?«
    »Am liebsten gleich jetzt.«
    »Wo?«
    »Wo wir ungestört reden können.«
    Sie überlegte.
    »Gerne auch in meiner Suite«, schlug er vor.
    »Ich habe eine bessere Idee. Ich bin in fünf Minuten in der Lobby.«
    Sie trug ein rotes Kostüm in der Farbe ihres Lippenstifts und schwarze Strümpfe mit schwarzen Lackpumps.
    Allmen stemmte sich mit dem gesunden Arm aus dem Sessel und ging auf sie zu.
    »Ist das eine Verkleidung, oder sind Sie verletzt?«, erkundigte sie sich mit leiser Stimme.
    »Kleiner Betriebsunfall. Ist in unserer Branche leider gang und gäbe. Wo wollen wir?«
    Sie führte ihn zum Lift und drückte auf den Knopf zum Untergeschoss. »Seminarräume« stand auf dem Knopf.
    Er folgte ihr in einen großen Raum, durch dessen höherliegende Fenster man ein wenig von der Mauer mit der aufgemalten symmetrischen Gartenanlage sah. Der Raum befand sich unter dem Wintergarten.
    Es roch etwas abgestanden, es musste eine Weile her sein, dass hier ein Seminar stattgefunden hatte. Aber auf der Flipchart, die am schmalen Ende des großen Sitzungstischs stand, waren immer noch die rührend hilflosen Zeichnungen zu sehen, mit denen Manager verzweifelt Ordnung in ihre Gedanken zu bringen versuchen.
    Frau Talfeld setzte sich an den Tisch und deutete auf den Stuhl gegenüber. »Nicht sehr gemütlich, aber ungestört.«
    Allmen setzte sich. »Das passt ganz gut. Was wir zu besprechen haben, ist auch nicht sehr gemütlich.«
    Sie horchte auf. »Worum geht es?«
    »Um Sie.«
    »Um mich?«
    »Um Sie und Herrn Tenz.«
    Cheryl Talfeld verstummte. Ihre Miene entspannte sich, als hätte er ihr soeben eine schwere Last abgenommen. Sie lächelte. Ein weiches, stilles Lächeln, wie er es noch nie an ihr gesehen hatte. »Zehn Tage. Ich dachte, Sie würden früher draufkommen.«
    Allmen hob entschuldigend die Hände. »Sie gehören zur Auftraggeberschaft.«
    Auf dem Tisch standen ein paar kleine Mineralwasserflaschen, Gläser und Deckelöffner. Sie machte zwei auf und schenkte ein. Allmen sah ihr stumm zu.
    Plötzlich überlegte sie es sich anders, ging zur Tür und drückte auf eine Klingel. »Ich brauche vielleicht doch etwas Richtiges. Und Sie?«
    »Ich leiste Ihnen Gesellschaft.«
    Sie warteten. Konzentriert und schweigend, wie zwei sportliche Gegner vor einem wichtigen Kampf.
    Es klopfte. Ein Kellner trat ein und fragte: »Darf ich Ihnen etwas bringen?«
    Sie bestellte einen Manhattan, Allmen schloss sich an.
    Erst sah es so aus, als wolle sie weiter schweigen, bis der Kellner die Drinks gebracht hatte. Aber dann begann sie doch zu sprechen. Im vertraulichen Kennenlern-Ton.
    »Wie alt sind Sie, Herr von Allmen?«
    »Mitte vierzig.«
    »Jung. Für einen Mann.«
    »Frauen werden älter.«
    »Aber sie werden es auch früher.«
    »So sind sie es noch länger.«
    Wieder dieses eigenartig weiche Lächeln. »Das ist kein Vorteil. Frauen sind nicht gerne alt.«
    »Niemand ist gerne alt.«
    »Sind Sie verheiratet?«
    Allmen verneinte.
    »Waren es auch nie?«
    »Einmal beinahe.«
    »Und jetzt? Leben Sie mit jemandem zusammen?«
    Carlos und María fielen ihm ein, und er lächelte. »Nicht so, wie Sie meinen.«
    »Wenn man in einem Hotel lebt, wird man tolerant in diesen Dingen.«
    »Auch nicht so, Frau Talfeld.«
    »Sie sind also Single, wie ich.«
    »Ich dachte, Sie seien es nicht mehr?«
    Es klopfte. Der Kellner brachte die Drinks und ein paar Silberschälchen mit Chips, Oliven und

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