Allmen und die Dahlien (German Edition)
María Moreno liiert war. Sie war es, die das so angenehm traditionelle Berufsbild ihres Liebhabers untergrub. Früher hatte Allmen das amüsiert, aber jetzt nahm er es ihr übel.
Carlos ging vormittags seiner Tätigkeit nach, als wäre nichts geschehen. Erst mittags kam er ins Gärtnerhaus zurück, zog sich um, kochte guatemaltekische Krankenkost – maizena, klare Geflügelsuppe aus Hühnerfüßen, -hälsen und -köpfen, Kaffee mit zu viel Honig und andere Scheußlichkeiten.
Nach dem Essen rasierte er ihn, weil die gequetschten Rippen noch immer Allmens rechten Arm behinderten. Und dabei erzählte er von Marías Fahndungsfortschritten.
Viel gab es allerdings nicht zu erzählen. Dass alles seinen gewohnten Gang gehe. Dass Claude Tenz noch nicht aufgetaucht sei, um die Sachen seines Großonkels abzuholen. Dass ihre Partnerin Pita mit Carmen Alonso befreundet sei, einem der Zimmermädchen von der vierten Etage.
»Sie soll versuchen, sich ebenfalls mit ihr anzufreunden«, hatte er Carlos geraten. Was dieser in einem respektlosen Anflug von Ironie mit »Qué buena idea« beantwortete. Was für eine gute Idee.
Drei Tage waren seit dem Überfall vergangen, und Allmen fühlte sich allmählich besser. Obwohl er Carlos im Verdacht hatte, ihn mit Placebos zu füttern, irgendwelchen unbeschrifteten homöopathischen Tabletten, die ihm María beschaffte. Sein Verdacht wurde bestärkt durch Carlos’ plötzliche Großzügigkeit bei der Medikamentenausgabe.
Am ersten Tag war er mit seinen physischen Beschwerden vollauf beschäftigt gewesen.
Am zweiten Tag traten die Symptome etwas in den Hintergrund und wurden langsam durch ein wachsendes Gefühl der Demütigung verdrängt.
Jetzt, am dritten Tag, kam die Wut. Es war der mit Abstand beste Zustand seit dem Überfall. Der Hass auf die, die ihn so zugerichtet hatten, auf Tino Rebler, Dalia Fioriti, Claude Tenz, Dalia Gutbauer, Cheryl Talfeld und all die anderen, die auch nur im Entferntesten damit zu tun hatten, dass er sich in diesem Zustand befand, gab ihm eine Energie, die ihn die Schmerzen und Demütigungen langsam vergessen ließ.
Im Laufe des Vormittags stand er auf und unterzog sich allein der schmerzhaften Tortur des Ankleidens. Als Carlos mit dem Mittagessen an die Schlafzimmertür klopfte, trug er eine bequeme Flanellhose, ein gestreiftes Hemd ohne Krawatte und die Kamelhaarhausjacke, die er an faulen Tagen zum Lesen und Klavierspielen trug.
»Ich esse im Salon. Und morgen gehe ich zurück ins Hotel«, verkündete er.
Als er sich später an den Tisch setzte, brachte Carlos ihm den Computerausdruck von Dalia Gutbauer mit der Debütantin Theres Schneydter.
»Don John, María sagt, diese Frau könnte Sie interessieren.«
Es war die zierliche, stark geschminkte Frau von dem Foto, das in Allmens Suite stand. Die Frau neben Hardy Frey mit dem frechen, schief sitzenden Hütchen, deren Augen Allmen so bekannt vorgekommen waren. Nur ein paar Jahre später.
Dieselben Augen. Die Augen von Teresa Cutress.
11
»¡No me digas!« Was du nicht sagst! María Moreno hing an Carmens Lippen, als hätte sie nie etwas Interessanteres gehört als diese Ausführungen zu ihren Verwandtschaftsverhältnissen. »Dann hast du also eine Tante, die zehn Jahre jünger ist als du!«
» ¡Fíjate! Stell dir vor! Weil der Bruder meines Großvaters mit sechzig eine Zwanzigjährige geheiratet hat!«
Sie waren in der Mittagspause in einem nahen Schnellimbiss etwas Kleines essen gegangen, und María hatte durch ihr überschwengliches Interesse an jeder ihrer Äußerungen rasch die Zuneigung des Zimmermädchens gewonnen, während dessen Abwesenheit das Bild aus Madame Gutbauers Schlafzimmer verschwunden war.
»Zehn Jahre jünger! Eine Tante!« Jetzt hielt María Moreno den Zeitpunkt für gekommen, um zum eigentlichen Thema vorzustoßen: »Ich habe gehört, dass deine Mutter krank ist. Schlimm?«
»Ach, es geht. Sie ist schon lange krank. Zucker.«
Pita mischte sich ein. »Aber es ist schlimmer geworden. Carmen musste nach Murcia. ¡De urgencia! «
»Es war kein Notfall«, bemerkte Carmen.
»Weshalb bist du denn so überstürzt abgereist?«, wollte Pita wissen.
»Wenn man dir vorschlagen würde, deine Mutter zu besuchen, wärst du auch am nächsten Tag weg.«
Pita gab ihr recht. Und María Moreno stellte ihre Frage:
»Wer hat es dir vorgeschlagen?«
»Die Talfeld.«
»Die?« Pita konnte es kaum glauben.
»Sie kann auch ganz nett sein. Sie hat sich nach meiner Mutter erkundigt. Ihre war
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