Allmen und die Dahlien (German Edition)
warmen Mandeln.
Sie warteten, bis sie wieder allein waren.
Als wäre es nie unterbrochen worden, nahm sie das Gespräch wieder auf. »Ich bin es wieder. Bin es wohl immer gewesen.«
»Und die Sache mit Herrn Tenz?«
»Just one of those things.« Sie nahm einen Schluck von ihrem Manhattan, und wieder war er beeindruckt von ihrem Zug.
Cheryl Talfeld stellte das Glas ab und straffte sich. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ich erzähle Ihnen, was Sie wissen wollen, aber nur unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Sie behalten es für sich.«
»Ich muss doch Madame Gutbauer informieren.«
»Sie müssen das Bild wiederbeschaffen, das ist Ihr Auftrag. Und ich helfe Ihnen dabei.«
Allmen überlegte.
»Abgemacht?«
»Solange es nicht absolut unumgänglich ist«, sagte er schließlich.
Cheryl Talfeld gab sich damit zufrieden. »Was wollen Sie wissen?«
»Erzählen Sie einfach. Ich treffe dann die Auswahl.«
2
»Als Madame Gutbauer das Hotel kaufte, war ich die Food-and-Beverage-Managerin. Damals hieß das noch Vizedirektorin. Genau genommen war ich es, die den Laden schmiss. Der Direktor war ein fauler Hund.
Madame Gutbauer fand Gefallen an mir. Sie setzte mich immer wieder für Aufgaben ein, die nichts mit dem Hotelbetrieb zu tun hatten, und eines Tages bot sie mir eine Stelle als ihre persönliche Assistentin an. Ich lehnte ab, aber sie sorgte dafür, dass mir gekündigt wurde. So bin ich bei Madame Gutbauer gelandet.«
»Weshalb haben Sie sich keinen anderen Hoteljob gesucht?«
Cheryl Talfeld leerte ihr Glas bis auf die Kirsche. »Das Gehalt war hoch und die Arbeit leicht.«
»Worin besteht Ihre Arbeit?«
»Ich manage sie. Und ich halte die Verbindung zu ihrem Management.«
»Welches Management?«
Cheryl Talfeld lächelte. »Madame Gutbauer hat das Vermögen, das sie von ihrem Vater geerbt hatte, in mehreren Investitionsgesellschaften angelegt und vervielfacht. Sie hält über neunzig Prozent der Anteile. Der Rest ist auf die Geschäftsführer verteilt, die bis heute von ihr ihre Weisungen erhalten. Und das über mich. – Seien Sie so gut, und klingeln Sie noch mal.«
Allmen stand auf und klingelte. Noch im Stehen fragte er:
»Wie lange machen Sie das schon?«
»Zweiundzwanzig Jahre. Sie war siebzig und hatte genug von ihrem unsteten Leben. Sie ist ja nie lange an einem Ort geblieben und litt, so hat sie mir erzählt, wo auch immer sie war, unter Fernweh. Bis sie herausgefunden habe, dass das, was sie für Fernweh hielt, einfach Heimweh war.«
»Und weshalb hier, in diesem Kasten? Weshalb nicht in einer schönen Villa am Berg? Wenn sie ja doch nie ausgeht?«
»Ich weiß es nicht. Vieles, was Madame Gutbauer tut, ist seltsam. Vielleicht hat es damit zu tun, dass sie hier aufgewachsen ist. Dort, wo jetzt das gläserne Bürohaus steht«, sie zeigte in die Richtung, »gleich neben dem Hotel, da stand früher ihr Elternhaus.«
Es klopfte, und der Kellner brachte die neuen Drinks. Sie warteten, bis sie wieder allein waren.
»Und Sie? Weshalb sind Sie so lange geblieben?«
»Ich habe in meinen Unterlagen neun Kündigungsschreiben. Und jedes Mal hat sie mich rumgekriegt.«
»Wie?«
»Geld. Ich fürchte, ich bin ein bisschen käuflich. Sie nicht?«
»Geld hat mir nie viel bedeutet.« Allmen sagte den Satz mit der Beiläufigkeit, mit der er ihn immer sagte. Und wie jedes Mal ließ er auch die Einschränkung weg, die lautete: außer ich habe gerade keines.
»Es muss sich nicht immer um Geld handeln. Es gibt auch andere Zahlungsmittel.«
»Zum Beispiel?«
»Liebe.«
»Verstehe.«
»Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen. Ich habe mich zwar vorhin als Single bezeichnet. Aber das stimmt nicht. Eine Frau in meinem Alter ist kein Single. In meinem Alter ist man eine alleinstehende Frau. Da ist man anfällig für die Währung Liebe.«
»Und Tenz hat das ausgenutzt.«
Sie trank einen Schluck. Danach stellte sie das Glas vor sich hin, behielt den Stiel in der Hand und drehte es mit Daumen und Zeigefinger um seine eigene Achse. Sie konzentrierte sich darauf, dass die Kirsche möglichst an derselben Stelle blieb. Und dabei sprach sie weiter:
»Ich hatte ihn bei seinen Besuchen bei Hardy Frey kennengelernt. Ich war bald darauf gekommen, dass es ihm nicht um mich ging. Aber ich hatte keine Eile zu erfahren, was er wirklich wollte. Je später ich es erfahren würde, desto länger würde die Sache dauern, das wusste ich.« Sie warf einen kurzen Blick über den Tisch, als hätte er eine Zwischenfrage
Weitere Kostenlose Bücher