Allmen und die Dahlien (German Edition)
gestellt. »Richtig. Aus Erfahrung.«
Das Glas drehte sich weiter. »Ich war überrascht, als er mir sagte, worum es ihm ging. Aber letztlich war es der romantische Teil des Plans, der mich dazu brachte einzuwilligen.«
Diesmal nippte sie nur kurz an ihrem Glas und drehte es weiter.
»Er hatte einen Freund, der bereit war, viel Geld für ein Dahlienbild von Henri Fantin-Latour zu bezahlen, um es seiner Geliebten zu schenken. Claude wusste von seinem Großonkel, dass Madame Gutbauer ein solches besaß, weil dieser es vor Jahren für sie gestohlen hatte. Aus dem gleichen romantischen Grund. Es scheint die Bestimmung des Bildes zu sein, als Liebesgeschenk zu dienen.«
»Deshalb hatten Sie eingewilligt?«, fragte Allmen ungläubig.
»Das Bild war gestohlen, Frau Gutbauer konnte schlecht zur Polizei gehen. Die Sache schien nicht sehr riskant.«
»Und dann haben Sie das Mädchen zu einem Krankenbesuch zu ihrer Mutter geschickt, um Tenz Zeit zu verschaffen, das Bild aus dem Gebäude zu schmuggeln.«
Sie nickte. »Meine Aufgabe war es, das Bild aus dem Vierten zu schaffen.«
»Darf ich fragen, wie Sie das gemacht haben?«
»Nachts in einem Putzwagen. Ich musste ihn bloß in den Lift fahren und eine Etage tiefer wieder in den Gang hinausschieben. Dort wurde er von Herrn Tenz übernommen. Um alles andere kümmerte er sich.«
»Und Madame Gutbauer das Liebesgeschenk wegzunehmen war für Sie kein Problem?«
Die Antwort klang verächtlich. »Das war längst kein Liebesgeschenk mehr. Das war eine Trophäe. Genau wie Hardy Frey selbst.«
»Trophäe?«
Noch immer konzentrierte sie sich auf das Cocktailglas. »Hardy Frey ist ihre große Liebe gewesen. Für ihn hat sie ihr Partyleben aufgegeben und ist untergetaucht. Mit ihm hat sie – wie sie sagt – die zehn schönsten Jahre ihres Lebens verbracht. Dass er sie für eine Jüngere verließ, hat sie ihm nie verziehen.«
»Teresa Cutress, nicht wahr? Geborene Schneydter. Das junge Ding, das Dalia Gutbauer in die Gesellschaft eingeführt hat.«
»Das hat sie mir so nie gesagt. Nur, dass sie eine Verräterin sei. Ich habe mir allerdings meinen Reim darauf gemacht. Teresa. Auch sie eine Trophäe.«
»Wie sind sie zu Trophäen geworden?«
»Seit ihrer Trennung hatte Madame Gutbauer ihn im Auge behalten. Behalten lassen. Hardy Frey war immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten, und sie hatte ihn jedes Mal mit Kautionen und Anwälten versorgt. Vor zehn Jahren hat sie ihn plötzlich fallenlassen. Es dauerte keine zwei Jahre, bis er völlig abgebrannt und überschuldet war. Dann holte sie ihn an Bord. Gab ihm die Suite, bezahlte seinen Aufenthalt und deckte seine Ausgaben. Acht Jahre hat er hier in vollkommener Abhängigkeit von Madame Gutbauer gelebt. Ich glaube, sie hat in der ganzen Zeit keine zehn Worte mit ihm gewechselt.«
Sie hob das noch fast volle Glas und leerte es bis zur Hälfte. »Mit seinem Anteil am Preis des Bildes hätte er sich für seine letzten Jahre noch etwas Unabhängigkeit erstanden. Diese Vorstellung gefiel mir. Ich konnte nicht ahnen, dass es sich um seine letzten Tage handelte.«
Allmen trank einen Schluck. »Tenz wollte seinen Onkel beteiligen? Ich habe gehört, er sei ein Erbschleicher.«
»Da tut man ihm unrecht. Claude hat seinen Onkel gemocht. Er konnte stundenlang zuhören, wenn Hardy seine Geschichten erzählte. Sie waren auch geistesverwandt. Nein, nein, er tat es auch für Hardy. Sein Großonkel war eingeweiht.«
Allmen nahm es verwundert zur Kenntnis. »Und Teresa Cutress? Wie geriet sie in Dalia Gutbauers Fänge?«
»Sie hat nach Hardy einen anderen geheiratet, deswegen heißt sie Cutress. Um mit den jungen Freundinnen ihres Mannes mitzuhalten, hat sie sich immer wieder operieren lassen. Am Schluss verließ er sie dennoch und starb kurz darauf hochverschuldet. Doch das genügte Dalia nicht als Genugtuung. Als es Teresa richtig dreckig ging, hat sie sie ins Hotel geholt. Aus Nächstenliebe. Aber in Wahrheit – ich finde kein anderes Wort dafür – als Trophäe.«
In das Schweigen, das folgte, mischte sich auf einmal das Rauschen eines Platzregens, der vor den hochliegenden Fenstern aufspritzte und die Scheiben mit einem Tropfenmuster überzog.
»Und jetzt?« Ihre Frage klang schicksalsergeben.
»Jetzt? Jetzt muss ich mit Herrn Tenz sprechen.«
»Das wird nicht ganz einfach sein. Er ist unauffindbar.«
»Geben Sie mir einfach seine Nummer.«
»Habe ich nicht.«
»Niemand scheint sie zu haben. Und doch ist Tenz kurz nach
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