Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
aufgespanntes feuchtes Betttuch, kann die sich überall ausbreitende feine Schicht aus Sand und Staub am Ende auch nicht aufhalten.
Die setzt sich in der Lunge und im dortigen Bindegewebe fest und kann langfristig zu Atembeschwerden führen. Raucher sind dabei noch mehr betroffen, da die Selbstreinigungskräfte ihrer Lunge bereits geschwächt sind. Im ohnehin stark luftverschmutzten Kairo kommt noch hinzu, dass die Staubpartikel mit Schwermetallen wie Blei und Kadmium, aber auch mit allerlei Bakterien verseucht sind. Ansonsten wirkt ein Sandsturm ähnlich wie ein Föhnwind. Das mit dem Sturm einhergehende Tiefdruckgebiet kann zu Kreislaufstörungen, Kopfschmerzen und Müdigkeit führen.
Am nächsten Tag kam dann das erste Mal wieder Entwarnung und die ägyptische Frühlingssonne zum Vorschein. Die Kairoer machten sich ans Aufräumen. In den Wohnungen wird dem Staub mit eimerweise Wasser zu Leibe gerückt. Die Straßenkehrer fegen die abgebrochen Äste und den überall verteilten Müll zur Seite. Allerorten werden die Autos vom Schmutz befreit.
Womöglich vergebliche Müh. Laut Wettervorhersage wird das Land der Pharaonen wohl auch in den nächsten Tagen nicht zur Ruhe kommen. Die Sandstürme sollen sich mit Gewittern und Temperaturstürzen abwechseln. Die Zufahrtswege auf die Halbinsel Sinai wurden sicherheitshalber gesperrt. Erwartet werden starke Regenfälle, die die völlig ausgetrockneten Wadis, in denen sich die Straßen entlangschlängeln, schnell zu reißenden Flüssen umwandeln können.
Der Melonenskandal
(Kairo, den 7. August 2005)
Sie stammt aus dem alten Ägypten: Citrullus lanatus, die Wassermelone. Schon vor 5000 Jahren fanden sich die saftigen Riesen auf den Reliefs der Pharaonengräber wieder. Beliebt war die Frucht auch als Grabbeigabe, als Stärkung für die Liebsten auf ihrem Weg ins Jenseits.
Fünf Millennien später scheint die ägyptische Wassermelone diese fatale Rolle erneut spielen zu wollen. Mehr als 300 Ägypter erkrankten, nachdem sie versucht hatten, die Plage der Sommerhitze mit dem roten, wässrigen Fruchtfleisch zu lindern. Ganze Familien wurden ins Krankenhaus eingeliefert. „Ich habe diese Melone von einem Straßenhändler erstanden. Nachdem wir sie gegessen hatten, wurde uns übel und schwindlig“, erinnert sich ein Opfer bei der Einweisung ins Giftzentrum der Kairoer Uniklinik.
Der Grund für diese mysteriöse Vergiftungsepidemie war bald gefunden. Die Melonen waren mit dem Pestizid Temik besprüht worden – einer weltweit verbotenen Substanz, deren Abbau länger dauert als die Reifeperiode der Melonen und die sofort zu akuter Lebensmittelvergiftung führt. Das Mittel soll auch als Rattengift zuverlässige Dienste leisten.
Zwar gehört die Substanz zu jenen, die per Gesetz 1999 auch in Ägypten verboten wurden. Aber die Korruption im Landwirtschaftsministerium und die Unwissenheit der Bauern erwies sich am Ende offenbar als stärker als die Paragrafen.
Nun gibt es in Ägypten zwar keine wachsamen Verbraucherverbände, aber die Nachricht von den vergifteten Melonen verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Erboste Konsumenten wollten Köpfe im Agrarministerium rollen sehen, andere verbreiteten das Gerücht, es handle sich um importierte israelische Melonen, die präpariert worden waren, um die 70 Millionen Ägypter auszurotten.
Das ägyptische Vertrauen in die Wassermelone ist jedenfalls gründlich erschüttert. Der Verkauf sank um über 70 Prozent. Wären sie nicht so schwer, die Früchte würden einem von den Händlern buchstäblich hinterhergeworfen. Das veranlasste den neuen Landwirtschaftsminister zum Handeln. Live verzehrte er im Fernsehen vor Millionenpublikum eine Melone, um bei Allah zu schwören, dass sämtliche jährlich in Ägypten kultivierten 50 Millionen Wassermelonen ungefährlich und gesundheitsfördernd seien.
Ich erinnere mich noch gut an den letzten Melonenskandal in den 90ern. Damals hatten gierige Händler Wasser in die Früchte gespritzt, um das Verkaufsgewicht zu erhöhen. Einfallsreich wie sie waren, benutzten sie dazu die vor Bakterien strotzenden Einwegspritzen, die sie im Müll des Krankenhauses um die Ecke gefunden hatten.
Wie die meisten Ägypter hatte ich damals mit meiner Familie zunächst von jeglichem Melonenkauf abgesehen. Aber ein Sommer in Kairo ohne Wassermelonen? Drei Wochen hatten wir durchgehalten, dann stand ich doch wieder beim nächsten Straßenhändler. Auch diesmal wird der Melonenbann schon bald in der Wüstenhitze
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