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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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einfach vollautomatisch wieder ab. Das geschieht meist gerade in dem Moment, in dem die Freundin voll eingeseift und mit Shampoo im Haar ihr Brausebad würdig zu Ende bringen will.
    Argwöhnisch geworden ist auch der Universitätsprofessor im zehnten Stock eines Hochhauses unweit des Nil. „Es gibt eine undurchsichtige Wasserpolitik in diesem Haus“, erzählt er. Seit Wochen sei das Wasser nun fast acht Stunden am Tag ausgeschaltet. Angeblich, so hatte es ihm der Hausmeister erzählt, und der ist der unumstrittene Herr des Kellers und damit über Nass und Trocken, angeblich gebe es keine Ersatzteile für die Pumpe der Hausgemeinschaft. Das erste Mal wurde der Professor stutzig, als ihm zuverlässige Quellen steckten, dass sich die Politprominenz einen Stock höher den ganzen Tag über im wertvollen Nass suhlt.
    Jetzt warten die Unterdrückten ohne Pumpe in den oberen Stockwerken oder die Verlierer mit den ungenügenden Pferdestärken auf den alle erlösenden Winter. Dann herrscht wieder mit höherem Wasserstand für ein paar Monate Waffenruhe. Entspannt kann man dann für den kommenden langen heißen Sommer aufrüsten, ohne dabei aber die Aktivitäten der nachbarlichen Konkurrenz aus den Augen zu verlieren.

Drogen, Sex und Rock ’n’ Roll:
Die zwei Gesichter arabischer Gesellschaften
    Zwischen moralischem Ehrgeiz und Lebenswirklichkeit
    Das Geschäft florierte, wenngleich es mit einem gewissen Risiko behaftet war. Abu Sumer betrieb in Bagdad kurz nach dem Sturz Saddams einen Tante-Emma-Laden mit dem üblichen Sortiment aus Waschpulver, Lebensmitteln, Windeln und Getränken. Nur ein Regal ganz hinten in der Ecke verriet die wahre kommerzielle Bestimmung. Dort standen Whisky, Wodka, Flaschen mit Dattel-Arrak und davor ein paar Paletten mit Bier.
    Der Verkauf von Hoch- und Niedrigprozentigem machte gut zwei Drittel des Umsatzes aus. „Die restlichen Lebensmittel dienen als Tarnung“, verriet der christliche Krämer. Er hatte schon damals Angst vor Anschlägen militanter Islamisten, die sich seit dem Sturz des säkularen Saddam-Regimes so befreit fühlten, dass sie mit handfesten Methoden ein Alkoholverbot durchzusetzen suchten. Meist zündeten sie die Alkoholläden nachts an, gelegentlich kamen sie aber auch tagsüber, warfen eine Handgranate oder feuerten mit einer Panzerfaust in den Laden.
    Inzwischen, ein paar Jahre später, haben es die schiitischen Mahdi-Milizen und sunnitischen Al-Kaida-Ableger geschafft: Alle Alkoholläden Bagdads sind dicht gemacht und der Stoff wird nur noch unter der Hand privat verkauft. Was den Christen Abu Sumer schon immer besonders ärgerte, war die Heuchelei in der irakischen Gesellschaft: „Wenn es im ganzen Land 500 Christen gibt, die Alkohol verkaufen, dann gibt es eine Million Muslime, die ihn trinken.“ 95 Prozent seiner Kunden seien jedenfalls islamischen Glaubens, insistierte er.
    „Der Satan will durch Alkohol und Losspiel nur Feindschaft und Hass zwischen euch aufkommen lassen und euch vom Gedenken Gottes und vom Gebet abhalten. Wollt ihr denn nicht damit aufhören?“, heißt es im Koran. Aber selbst in den arabischen Ländern, in denen Alkohol offiziell verboten ist, klaffen Rechtslage und Wirklichkeit oft weit auseinander. In Saudi-Arabien etwa sind die Produktion und der Konsum von Alkohol strikt untersagt. Wer von den staatlichen Sittenwärtern erwischt wird, dem kann gar die Auspeitschung drohen. Jene Saudis, die nicht vom Alkohol lassen können und keine Risiken eingehen möchten, flüchten sich zu Kurzbesuchen über die „Alkoholbrücke“ in den benachbarten Inselstaat Bahrain. Andere pflegen gute Kontakte zu ausländischen Botschaften und deren Beständen.
    Ansonst ist das Hobbybrauen an manchen Orten ein heimlich ausgeübter Sport. Besonders begehrt im Wüstenkönigreich sind die Schiffsladungen mit dickflüssigen ausländischen Fruchtsäften, die sich ganz besonders gut zur Heimgärung eignen. Oft werden sie direkt vom Kai weggekauft, bevor sie im Supermarkt landen.
    Kreativität im Aufspüren von Hochprozentigem ist auch im Jemen gefragt, einem Land, das per Gesetz alkoholisch trockengelegt ist. Hier ist es einfacher, an der nächsten Ecke eine Kalaschnikow zu kaufen als eine Büchse Bier zu erstehen. Aber dazu später.
    Abu Sumers versteckte hintere Ladenzeile in Bagdad, seine treue Stammkundschaft und die heiligen Krieger, die ihm auf den Fersen waren: Hier wird er ausgefochten, der Kampf zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Wenn schon gegenüber dem

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