Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
dahinschmelzen. Hoffentlich führt der nächste saftige Bissen dann nicht ins ägyptische Jenseits.
Nachtrag: Inzwischen wurde ein ägyptischer Verbraucherverband gegründet. Im Frühjahr 2008 trat der Verband mit der aufsehenerregenden Meldung in Erscheinung, dass keine einzige der in Ägypten verkauften lokalen Mineralwassersorten nach internationalen Standards den Namen „Mineral-“ verdient.
Das Geschäft mit dem Trinkwasser boomt. Tausende von Litern werden jeden Tag nicht nur an Touristen verkauft, sondern auch an eine wachsende Zahl von Ägyptern, die dem nach Chlor stinkenden Nass aus dem Wasserhahn misstrauen und es sich leisten können, auf „Mineralwasser“ umzusteigen. Hartnäckig hielten sich allerdings auch immer Gerüchte, dass viele der im Laden verkauften Wassersorten eigentlich nur gefiltertes Nilwasser seien. Das wollte der Verbraucherverband jedoch nicht bestätigen. Es liege keine Gesundheitsgefährdung vor, beruhigte er. Immerhin: Ägyptens größter und ältester Produzent mit der Sorte „Baraka“, zu deutsch „Segen“, hat inzwischen Konsequenzen gezogen und bietet sein Produkt nur noch mit dem vagen Label „natürliches Trinkwasser“ an. Am Ende gibt es, Verbraucherverband hin oder her, ohnehin keine Alternative zum Wasserhahn oder zum abgefüllten Getränk. Denn selbst im Hightech-Zeitalter gilt immer noch die einfache Gleichung einer alten Wüstenweisheit: „Wasser ist Leben.“
Wasserkriege
(Kairo, den 9. Oktober 1994)
Langsam rinnt der Schweiß über den mit Hitzepickeln übersäten Rücken. Auf dem Gesicht vermengt er sich mit den Blei- und Abgasdünsten der Großstadt. Über die strohigen Haare hat sich seit dem Morgen eine zarte staubgraue Schicht gelegt.
Kairo im Sommer. In die überhitzten Gehirnzellen kriecht ein Gedanke: Ein Emirat und fünf Königreiche für eine Dusche. Rein ins Bad, die verschwitzten Klamotten auf den lauwarmen Fliesenboden geworfen – da lacht dich die silberstrahlende Brause von oben an. Du drehst den eisfarbenen Kaltwasserhahn auf. Das Rohr beginnt zu vibrieren, und mit dem Ton eines lang gedehnten Furzes presst sich faul-warme Luft durch die leicht verkalkten Düsen. Dann – ein einsamer Tropfen Wasser. Das war’s.
Dieser verfluchte Kairoer Sommer dauert nun schon viel zu lange, denkst du. Da hatte wieder jemand in den unteren Stockwerken den gleichen Gedanken, hat den Wasserhahn aufgedreht und damit alle deine H₂O-Träume in der höheren Etage zunichte gemacht. Sie haben dir buchstäblich das Wasser abgedreht.
Kairo im Sommer, das ist ein Millionenheer an Wasserverbrauchern in einer Stadt. Allen ist heiß – alle wollen trinken, duschen und planschen. Doch die Fluten des Nil sind begrenzt. Sein kostbares Nass muss mit hundertvierzig Millionen anderen Anrainern entlang seinen Ufern geteilt werden. Ein niedriger Wasserstand und unzureichender Druck sind die Folgen, eine allsommerlich wiederkehrende Tragödie.
Der Sommer ist auch die Zeit, in der das Faustrecht in Kairos Haushalten Einzug hält. In unserem Haus sind die Hierarchien dabei schnell ausgemacht. Anders als im restlichen Leben sind hier die Oberen die Blöden, während es sich die unteren Etagen gut gehen lassen. In einigen der hochgezogenen Neubauten Kairos wollten sich die wohlhabenden Bewohner der oberen Etagen allerdings nicht mehr für dumm verkaufen lassen. Ihre Antwort im Kampf ums Wasser: die elektrische Wasserpumpe. Einmal im Keller installiert, befördert sie das Wasser in wenigen Sekunden diebisch am Nachbarn vorbei direkt hinein in den heimischen Wasserhahn.
„Der nächste Krieg im Nahen Osten wird ums Wasser ausgefochten“, warnen nun schon seit Jahren die Polit- und Kriegsstrategen der Region. In Kairo ist dieser Krieg schon längst ausgebrochen. Die Schlacht der Wasserpumpen ist in vollem Gange. Der Klempner einer Freundin hat das einmal in einfache Worte gefasst: „Meine Dame, Sie müssen mindestens eine so starke Pumpe haben wie Ihr Nachbar, am besten schon eine größere, um für die Zukunft vorzusorgen.“ Kairos Installateure propagieren die hemmungslose Aufrüstung.
Doch Pumpen haben ihre Tücken, davon kann auch meine leidgeplagte Freundin im fünften Stock ein Lied singen. Nicht nur, dass sie zu ihrem täglichen Bedauern die kleinste Pumpe im Haus hat. Das Schlimme, so sagt sie, sind die Sensoren des Gerätes. Denn so eine Pumpe entwickelt mitunter ihren eigenen Charakter. Wenn sie das Gefühl hat, genug geschafft zu haben, dann schaltet sie sich
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