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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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als in der EU-Richtlinie, schließlich will man nicht für zusätzliche Beunruhigung sorgen. Aber was sind schon Grenzwerte im Land am Nil. In der Kairoer Innenstadt werden im Jahresdurchschnitt über 250 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft gemessen, der sich dann in den hintersten Winkeln der ägyptischen Lungen festsetzt. Irgendwie hat es da doch etwas Beruhigendes, dass wir eigentlich alle bereits tot sein müssten, aber merkwürdigerweise immer noch im Kairoer Stau am Steuer sitzen.
    Zudem lässt die internationale Zementindustrie, wegen geringer Umweltauflagen und hoher Profite, gern in Drittweltländern produzieren. Kein Wunder also, dass Zement neben Baumwolle ein echter ägyptischer Exportschlager ist. Er wurde bis vor kurzem bevorzugt ohne lästige Filteranlagen produziert. Denn die Filter müssen ab und an gewechselt werden und das kostet Produktionszeiten, sprich Geld. Was im Land der Pharaonen aus dem Schornstein kam, verpasste nicht nur der auf den Leinen hängenden Wäsche im Umkreis vieler Kilometer einen einheitlichen Grauschleier, sondern sprengte mit 10 000 Mikrogramm Staubpartikeln pro ausgespucktem Kubikmeter Rauch auch jegliche Feinstaubverordnung. Dreckige ägyptische Luft für sauber verputzte europäische Häuser.
    Eigentlich müssten die Ägypter auch schon ohne jede Auspuff- oder Fabrikschloteinwirkung ausgestorben sein. Im Grunde dürfte sogar nie jemand die Pyramiden gebaut haben. Denn angeblich produziert die Wüste rund um Kairo bereits 80 bis 100 Mikrogramm natürlichen Feinstaub.
    Er hatte zwar noch nicht die erforderlichen Messgeräte, aber der arabische Arzt Ibn Ridwan wusste bereits im Vordieselzeitalter des 11. Jahrhunderts von manchen Abenden in Kairo zu berichten, „an denen eine Art schwarzer Nebel über der Stadt hängt, der die Kehle irritiert, ganz besonders, wenn kein Lüftchen weht“.
    Vielleicht würde den Deutschen ein wenig mehr Gelassenheit und den Ägyptern ein Quäntchen mehr Panik im Moment ganz gut anstehen. In Berlin, München und Stuttgart könnte man wieder über etwas anderes als das miese Wetter und den tödlichen Feinstaub reden. Und in Kairo würde die Angelegenheit mit dem gesundheitsschädlichen Feinstaub dann vielleicht nicht mehr einfach in den Dünen der umliegenden Sahara versanden.
    Die Wüste klebt
    (Kairo, den 16. März 1998)
    Das andere Nilufer verschwindet binnen weniger Minuten in einem gelblich-grünen Dunst. Wenig später taucht auch ein Teil der Nilbrücke in die endzeitlichen Schwaden ein. Die Sichtweite sinkt auf knappe 100 Meter. Der letzte Tropfen Feuchtigkeit ist verdunstet, der Hals fängt an zu kratzen, und zwischen den Zähnen knirscht der Sand.
    Ein „Chamsin“, ein klassischer ägyptischer Sandsturm, hat Kairo und andere Teile des Nillandes in seine Gewalt gebracht. Auslöser waren kalte Luftmassen vom Mittelmeer, die im Landesinneren auf heiße Wüstenwinde stießen. Die Sandmassen aus der westlichen Wüste zwischen dem Niltal und der libyschen Grenze machten in der Stadt den Tag zeitweise zur Nacht. Mindestens zwei Menschen kamen ums Leben, 70 wurden verletzt, meist durch Autounfälle, Feuer und herunterstürzende Bäume, Reklameschilder oder Satellitenschüsseln. Zahlreiche Häuser und Autos wurden beschädigt. Die Notdienste sollen allein in Kairo 1500-mal zum Einsatz gerufen worden sein.
    Selbst der hohen Nahost-Diplomatie hatte der Sandsturm einen Streich gespielt. Der in der ägyptischen Hauptstadt angesagte britische Außenminister musste vor den Gesetzen der Wüste kapitulieren. Der Kairoer Flughafen war ebenso gesperrt wie die ägyptischen Mittelmeerhäfen und der Suezkanal. Eigentlich sollte der Brite als Vertreter der EU an diesem Tag mit dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak die wieder einmal festgefahrenen Nahost-Friedensgespräche erneut in Gang bringen. Stattdessen wartete er in Zypern noch immer auf weitere Instruktionen und den neuesten Wetterbericht.
    Die Kairoer, denen unterdessen buchstäblich die Luft ausging, versuchten derweil, sich so gut es ging vor den Sand- und Staubschwaden in Schutz zu bringen. Auf die Straße begab sich nur, wer unbedingt musste, ansonsten wurden die eigenen vier Wände bevorzugt. Geschlossene Fenster erwiesen sich jedoch als unzulänglich, drückt der Wind doch den Staub durch jede noch so kleine Ritze. Wer elektrische und elektronische Geräte besitzt, der hat zumindest diese kostbaren Stücke abgedeckt. Aber selbst der wirksamste Schutz, ein vor dem Fenster

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