Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
dieselbetriebenen Stadtbussen und 1000 privaten Minibussen, an den 1,6 Millionen Privatautos oder an den 80 000 zum Teil schrottreifen Taxis? Sie alle schleudern ihren Dreck das ganze Jahr über in unsere wertvolle Atemluft.
Ich strecke meinen Kopf aus dem Fenster und blicke Richtung Norden, wo der Wind herkommt. Denn dort leben sie, die Übeltäter, die in einer allherbstlich wiederkehrenden Heimsuchung der verpesteten Kairoer Luft in dieser Jahreszeit endgültig den Rest geben: die Reisbauern des Nildeltas. Wenn die im Oktober ihren Reis geerntet haben, entledigen sie sich des übrig gebliebenen Reisstrohs kurzerhand, indem sie es anzünden – vorzugsweise abends nach getaner Arbeit. Allein in einer der drei Deltaprovinzen, in Scharqiya, gilt es 858 000 Tonnen Reisstroh zu entsorgen. Tendenz steigend, denn die ägyptische Reisproduktion ist in den letzten vier Jahren um ein Drittel gestiegen.
Die Regierung wird von den Medien wegen ihres schleppenden umweltpolizeilichen Tatendrangs jeden Herbst von Neuem kritisiert. Und jedes Mal droht sie den Bauern Geldstrafen an. Aber es hapert an der Durchsetzung der Anordnungen. Und an möglichen Alternativen: Die seit Jahren angekündigten Pressmaschinen für das Stroh werden nur selten gesichtet, obwohl das Reisstroh eigentlich ein ideales Isoliermaterial für den Bau darstellt und auch zu wertvollem Biodiesel umgewandelt werden könnte. Aber die „schwarze Wolke“, über die nun seit neun Jahren gesprochen und geschrieben wird, hat inzwischen immerhin drei ägyptische Umweltminister und deren Versprechen überlebt.
„Eine halbe Million Kairoer werden in den nächsten 25 Jahren ernsthaft an den Atemwegen oder tödlich an Krebs erkranken“, kalkuliert Salah Hassanein, Umweltprofessor an der Kairoer Universität. Genug gelüftet: Ich mache mein Fenster wieder zu.
Immerhin ein Silberstreif ist am verrauchten Horizont doch auszumachen. Die kanadische Entwicklungsbehörde wird zusammen mit der ägyptischen Umweltbehörde 50 Ziegeleien von Schweröl auf Gasbetrieb umstellen. Das käme angeblich der Stilllegung von 300 000 Autos gleich. Mal schauen, vielleicht werde ich morgen früh doch noch einmal einen Versuch starten: das Fenster einen Spalt öffnen und meine Nase noch einmal von der zweifelhaften Brise aus dem Niltal streicheln lassen.
Hier macht sich keiner aus dem Staub
(Kairo, den 29.Dezember 2006)
Die Nachrichten aus dem fernen Europa klingen wahrlich beunruhigend. Feinstaub rieselt da auf die Großstädte herab. Vom größten Umweltproblem überhaupt ist die Rede. München, Stuttgart und auch Berlin hätten bereits gegen die EU-weit geltende Feinstaubrichtlinie verstoßen. Diese erlaubt nur an 35 Tagen im Jahr mehr als 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Stadtluft. „Feinstaubmanagement“ sei nun angesagt, denn laut EU-Studien sollen jährlich allein in Deutschland 65 000 Menschen an den Folgen der verschmutzen Luft – verursacht durch Industrie und Dieselmotoren in Deutschland – vorzeitig sterben.
Zur Bekämpfung von gesundheitsschädlichem Feinstaub aus Autoabgasen planen viele deutsche Großstädte gar, so genannte Umweltzonen einzuführen. Fahrzeuge der „Schadstoffgruppe 1“ dürfen dann in diesen innerstädtischen Zonen nicht mehr fahren.
Soll ich lachen oder weinen?, frage ich mich, als Schwaden der stinkenden schwarzen Rußwolke des vor mir fahrenden, überfüllten Stadtbusses langsam den Innenraum meines Autos füllen. Letzteres würde wahrscheinlich auch keinen deutschen Abgastest bestehen. Denn unter die „Schadstoffgruppe 1“ fallen dort nicht nur Autos mit Dieselmotor oder solche ohne Katalysator, sondern auch Benziner mit einem geregeltem Kat der ersten Generation: Das wären also alle Autos in der ägyptischen Hauptstadt.
Vielleicht sollten die ägyptischen Behörden bei der Einführung einer Kairoer Umweltzone langsam aussortieren. In den ersten Wochen könnten sie alle Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen, deren Türen nicht mehr schließen und die deshalb mit Seilen zugebunden sind. Dann folgen die Fahrzeuge, die mehr als drei Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Nicht zu vergessen: In dieser verdammten Trockenheit rostet nichts. Dann verbannen sie die neueren Modelle, bei denen es statt aus dem Auspuff aus der Motorhaube raucht.
Authu Billah – möge Gott den Kairoern helfen. Eine kurze Recherche ergibt, dass der ägyptische Staubgrenzwert auf 70 Mikrogramm pro Kubikmeter festgelegt wurde. Das sind schon einmal 20 Mikrogramm mehr
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