Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
Stunde bis zum erfolgreichen Abschluss der Prozedur vergehen.
Damit war die Sache aber noch nicht erledigt. Die Versicherungspolizze für Personenschäden des Vorgängers muss im Archiv besorgt werden, sowie ein Zeugnis, dass alle Strafmandate bezahlt wurden, und eine schriftliche Bestätigung, einen Feuerlöscher im Auto zu haben, die man gegen ein paar Steuermarken ohne Blick ins Auto erhält.
Am Rande meiner Geduld, aber siegessicher, halte ich dem Beamten, der die Fahrzeugpapiere ausstellt, nach mühsamen vier Stunden die Mappe mit den vollständigen Papieren entgegen. Der grinst nur überlegen: „Es ist alles da. Aber Sie befinden sich im falschen Amt. Sie müssen Ihr Auto in Ihrem Wohnsitz in Kairo Nord anmelden.“
Kein Problem, sagt der Beamte wenige Tage darauf in Kairo Nord. „Sie müssen jetzt nur noch die TÜV-Untersuchung bescheinigen.“ Im Hof wartet der Basch Muhandis – der Herr Ingenieur, wie der Mechaniker genannt wird. Sich seiner grenzenlosen Macht nur allzu bewusst, blickt er von weitem auf das Auto und zählt im Handumdrehen die zu behebenden Mängel auf. Nur eine freundliche finanzielle Geste meinerseits kann ihn vom Gegenteil überzeugen. Mit der fertigen Mappe im Anschlag geht es erneut ins Gefecht mit dem Fahrzeugschein-Aussteller. „Falscher Wohnsitz“, meint der nur trocken, „für Sie ist Kairo Nord II zuständig. Wenn Sie sich beeilen, können Sie es noch heute schaffen.“
Um es kurz zu machen: Kairo Nord II hat selbstverständlich seinen eigenen Basch Muhandis, der eine Motivationszulage braucht, seine eigenen Formulare, und es vergehen zwei weitere Stunden, bis die notwendigen Papiere schließlich an dem Schalter landen, wo der computerausgedruckte Fahrzeugschein ausgehändigt wird. Viele Anträge – wenig Computer: Nach einer weiteren zähen Wartestunde erhalte ich das Papier, um zum krönenden Abschluss ein paar rostige durchlöcherte Nummernschilder ausgehändigt zu bekommen. „Sie haben Glück“, sagt der sympathische alte Mann hinter dem entsprechenden Schalter. „Manchmal haben wir überhaupt keine Schilder mehr.“
Aber auch für dieses Problem gibt es eine typisch ägyptische Lösung. Auf dem Parkplatz bietet uns ein Mann mit einem Eimer voll schwarzer Lackfarbe und einem Pinsel in der Hand an, die Nummern auf dem Schild nachzupinseln. „Mit solch alten, unlesbaren Nummernschildern zahlen Sie Strafe, wenn Sie von einer Verkehrskontrolle angehalten werden, mein Herr“, so sein einleuchtendes Argument. Die wäre dann wieder in Kairo Nord II zu entrichten.
Ägyptens Paschas werden abgeschafft
(Kairo, den 8. Februar 1998)
„Guten Tag, mein Pascha.“ „Aber natürlich, mein Bey.“ „Wird sofort erledigt, Herr Doktor.“ Sei es der Metzger, Gemüsehändler, Taxifahrer oder Briefträger – in Ägypten sind alle Weltmeister darin, ihrem halbwegs gebildeten, europäisch gekleideten Gegenüber den linguistischen roten Teppich auszulegen.
Ehrentitel gibt es viele in einem Land, in dem selbst in einem Café der Ober mit den Worten „Herr Präsident“ herbeigerufen wird. Da wird der kleine Straßenpolizist, der verzweifelt versucht, den chaotischen Kairoer Verkehr in geregelte Bahnen zu lenken, schnell zum „Captain“, der ölverschmierte Automechaniker zum „Herrn Ingenieur“ oder jeder, der lesen und schreiben kann, zum „Herrn Professor“.
Gerade die alten, feudalen türkischen Bezeichnungen Bey und Pascha wurden in der neueren ägyptischen Geschichte schon oft zum Politikum. Zu Zeiten der arabischen sozialistischen Gleichheit in den 50ern und 60ern waren sie vom Volk verpönt und von den revolutionären jungen Offizieren zum Tabu erklärt worden. Die Monarchie war abgeschafft und statt der Beys, der Paschas und der restlichen Untertanen sollte es fortan nur noch Bürger einer Ägyptischen Republik geben.
Doch mit der wirtschaftlichen Liberalisierung der 70er, der Weltbank-Strukturanpassung der 80er und den Privatisierungen der 90er Jahre brach erneut die Zeit der standesgemäßen Unterschiede an. Die wahren Beys und Paschas von heute sind im Importgeschäft tätig, fahren Mercedes und tragen Samsonite-Koffer, in denen das Handy piepst. Dem wollten die hohen Herren in den zahlreichen Ministerien und die Offiziere des Sicherheitsapparats selbstverständlich nicht nachstehen. Sie lassen sich nun wieder vorzugsweise mit den alten türkischen Ehrentiteln ansprechen.
Doch wenn es nach dem Willen des neuen Innenministers geht, dann soll mit diesem
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