Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
ein Universitätsprofessor“, versucht der Fahrgast Laham den Fahrer des anderen Taxis in die Schranken zu weisen, als dieser einen lautstarken Streit mit seinem Fahrer vom Zaun bricht. „Na und“, antwortet dieser, „ich bin der Präsident der Universität Damaskus.“
Auch der inzwischen verstorbene ägyptische Literaturnobelpreisträger Nagib Machfus hat in seinem Buch „Ein ehrenwerter Herr“ die Nöte des Antihelden und ehrgeizigen Bürokraten Osman Bajumi beschrieben, dessen einziges Lebensziel darin besteht, sich zum Generaldirektor seiner Behörde hochzuarbeiten. Sah denn niemand, dass der in der dritten Gehaltstufe als Stellvertreter des Stellvertreters stecken gebliebene Romanheld ein hoch versierter Staatsdiener war? Dessen Erfahrung wurde so nutzlos verschleudert „wie eine Fünfhundert-Watt-Birne auf dem Klo einer Dorfmoschee“. Am Ende erreicht die ersehnte Beförderung Bajumi auf dem Sterbebett.
Übrigens haben im Winter 2007 Ägyptens Beamte erstmals in ihrer mehrere Jahrtausende alten Geschichte die Arbeit niedergelegt. Über 20 000 Mitarbeiter der Immobiliensteuerbehörde gingen für höhere Löhne auf die Barrikaden. Symbolisch hatten deren Verwaltungschefs aus allen ägyptischen Provinzen ihrem Sprecher in Kairo die Schlüssel ihrer zugesperrten Büros übergeben. Das Regime zitterte: Wenn die Schreiber streiken, stürzt der Pharao. Den Forderungen der Beamten wurde stattgegeben.
Doch bei alledem sollten nicht die wirklich Leidtragenden vergessen werden, jene ägyptischen Helden, die täglich geduldig versuchen, in der kafkaesken Bürokratie nicht den Verstand zu verlieren. Stellvertretend hierfür nur eine kleine Anekdote vom Büro der Kairoer „Verkehrsstaatsanwaltschaft“, bei der man zur jährlichen Erneuerung des Fahrzeugbriefes die in diesem Jahr angesammelten Strafzettel zu bezahlen hat. Dort entspannte sich ein absurder Streit zwischen dem Beamten hinter der Glasscheibe und einem Autofahrer, der endgültig auszuflippen drohte. Der Fahrer fragte lautstark nach, wie er einen Strafzettel für das Überfahren einer roten Ampel bekommen könne, in einer Straße, in der es keine Ampel gibt. Ob es dort eine Ampel gebe oder nicht, interessiere ihn nicht die Bohne, antwortete der Beamte stoisch. Für ihn gelte allein, was auf dem Strafzettel stehe. Hilfe suchend blickte sich der Fahrer im überfüllten Wartezimmer um, erntete aber nur resigniertes Achselzucken. Am Ende kapitulierte die Logik vor dem System und der Mann zückte zähneknirschend seine Brieftasche.
Die Macht im Kleinen …
Ägyptische Odyssee rund um das Auto
(Kairo, den 30. Juli 1997)
Gut gelaunt machte ich mich auf den Weg zur Ummeldung eines Gebrauchtwagens, den ich gerade gekauft hatte, und erwartete nichts Böses. Schließlich geht es nur darum, den Verkauf des Autos zu bestätigen und das Fahrzeug auf meinen Namen umzuschreiben. Mit dem Kaufvertrag in der Hand musste lediglich eine kleine bürokratische Hürde überwunden werden: das Kairoer Kraftverkehrsamt, arabisch „Al-Murur“ genannt.
Das sei gar nicht schwer, ermunterte mich eine freundliche Dame hinter dem Fenster. „Da Sie bisher nur eine Vollmacht besitzen, die Sie berechtigt, das Auto, das Sie eben erstanden haben, weiterzuverkaufen, müssen Sie das Auto zunächst an sich selbst verkaufen.“ Ich ließ sie den Satz mehrmals wiederholen, zunächst an meinem Arabisch zweifelnd und dann immer wieder hoffend, dass sich mir vielleicht doch noch der tiefere Sinn erschließen könnte. Die Logik der ganzen Operation wurde dann aber im nächsten Schritt überdeutlich, als beim Verkauf des Autos an mich selbst eine gehörige Portion Steuern und Bearbeitungsgebühren fällig wurde.
Selbstverständlich wird diese Summe nicht im Verkehrsamt bezahlt, sondern an einer Extrakasse, eine Viertelstunde entfernt. Erst dann kann der ganze Kauf im Al-Murur notarisch registriert werden. Drei Antragsteller stehen vor dem Schalter, sechs Beamte dahinter versprechen eine schnelle Bearbeitung. Als nach einer Stunde immer noch nichts passiert ist, offenbart ein Blick hinter den Schalter die ganze Misere der 7000 Jahre alten ägyptischen Bürokratie. Zwei Beamte lesen Zeitung, eine Frau schiebt sich ein übergroßes Sandwich mit braunen Bohnen in den Mund. Es bleiben zwei Staatsdiener, die arbeiten. Doch auch der Mann am Schalter starrt abwesend auf sein Teeglas und ist selbst auf wiederholte Anfrage nicht ansprechbar. Es sollte noch eine gute, langsam verstreichende halbe
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