Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
Wochen nach Amals Tod gab auch ihre Nachbarin Umm Ahmad gegenüber einer lokalen Reporterin zu, ihre Hühner im Schrank versteckt zu haben.
Die hygienischen Verhältnisse auf dem Land sind katastrophal. Niqbad, ein Dorf im Nildelta, eine halbe Autostunde nördlich von Kairo entfernt, ist ein klassisches Beispiel. Ein Junge wurde von dort mit Verdacht auf Vogelgrippe ins Krankenhaus eingeliefert. Auf dem Müllhaufen am Rand des Dorfes fanden sich auch Tage darauf noch verendete Tiere. Dazwischen spielten die Kinder. Sogar im Bewässerungskanal trieben vereinzelte Geflügelkadaver. „Wenn die Straße voll mit Kadavern ist und du das bei den Behörden anzeigst, werden sie dich entweder ignorieren oder dir eine Strafe aufbrummen, weil sie dann behaupten, du hättest die Hühner dort hingeworfen“, erklärte eine Anwohnerin ihre Tatenlosigkeit.
Neben dem Erkrankungsrisiko zahlen die Armen einen weiteren Preis: „Es ist eine Frage der Nahrungssicherung“, erläutert Murad Ali. „In Europa machte Geflügel vor der Vogelgrippe nur rund 20 Prozent des konsumierten Fleisches aus. In Ägypten bestand die Hälfte der Fleischnahrung aus billigem Geflügel.“ Bisher nahmen die Ägypter pro Kopf rund 19 Gramm Eiweiß zu sich. Murad Ali schätzt, dass dieser Wert seit der Vogelgrippe um gut ein Drittel gesunken ist. Wenn die Menschen in Europa Angst vor Geflügelfleisch haben, dann kaufen sie stattdessen ein Stück Rind oder Schwein. In Ägypten bleiben die Fleischtöpfe dagegen leer.
„Wenn es Fleisch bei uns gab, dann Huhn. Für zehn Pfund habe ich meinen Kindern eines nach Hause gebracht. Ein Kilo Rindfleisch kostet das Vierfache. Das können wir uns einfach nicht leisten“, erzählt Muhammad auf einem der Kairoer Geflügelmärkte, auf denen früher Lebendgeflügel verkauft wurde und dessen Käfige heute leer sind. Traditionell misstrauen die Ägypter nicht nur dem Staat, sondern jedem gefrorenen Fleisch. Sie pflegten die Hühner lebend im Laden zu begutachten, bevor das Federvieh dort vor ihren Augen geschlachtet und gerupft wurde. Geflügel aus der Tiefkühltruhe meiden sie.
So bleiben für die Armen Ägyptens nur zwei Optionen. Ganz auf Fleisch zu verzichten. Oder doch noch so manches Huhn vor den Augen der Autoritäten zu verstecken und so zu tun, als ob sie die Vogelgrippe einfach nichts anginge.
Die kleine Geschichte des jungen ägyptischen Journalisten Usama aus Kairo ist da symptomatisch. Als er seine Großmutter in einem Dorf im östlichen Nildelta besuchte, war er überrascht, dass sie immer noch Hühner hält. Er versuchte ihr einen Vortrag über die Gefahren der Vogelgrippe zu halten und erklärte, dass er weder die Hühner noch die Eier anfassen werde. Die 77-jährige Bahia lachte und winkte ab: „Was redest du da für Quatsch vom Hühneranfassen, meine flattern gesund herum, geh in den Stall und versuch nur eines davon zu fangen.“
Kafkaeske Arabesken:
Arabische Bürokratie und der Umgang mit der Macht
Gefühlte Ohnmacht
Es gibt Dinge in der Geschichte der Menschheit, die ändern sich nie. Auf den Reliefs von 4000 Jahre alten ägyptischen Baudenkmälern sind bereits lange Schlangen von Bittstellern zu finden, die versuchen, den Beamten des Pharaos ihre Anliegen vorzutragen.
Die Bürokratie war der Schlüssel der 7000 Jahre alten ägyptischen Zivilisation. Mit ihrer Hilfe konnte ein Staatswesen entstehen, in dem die lebenswichtige Nilbewässerung für die Felder zentral organisiert wurde. An der Spitze stand der Pharao. Alle königlichen Dekrete gingen durch seine Hand, bevor sie von einem Heer von Schreibern, heute würde man sagen Beamten, nach unten weitervermittelt wurden. Der oberste Schreiber war der Wesir, der Premierminister, darunter folgten die Steuereintreiber, bis hin zu jenen kleinen Schreibern, die die Befehle bis ins kleinste Dorf weitertrugen. Es gab eine Hackordnung und ein Beförderungssystem. Und natürlich umgab sich der Pharao in den hohen Schreiberpositionen mit loyalen Freunden. Für den gesamten Schreiberapparat galt: Gehorche dem Schreiber über dir und stelle niemals die Entscheidungen von oben in ihrer vollkommenen Weisheit in Frage.
Ägypten ist bis heute die Mutter aller Bürokratien geblieben, und bis heute beherrscht das Land ein Pharao, der sich nun nur mit dem Titel „Präsident der Republik Ägypten“ tarnt. Geblieben ist auch die täglich empfundene Ohnmacht, gegenüber dem Pharao im Großen und gegenüber seinen Beamten im Kleinen. Denn bis heute ist der Mann
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