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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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wünschte mir, ich wäre nur eine Woche weg und es fänden sich die vernünftigen Politiker dieser Welt zusammen, um eine friedliche Lösung des Konflikts zu finden“, sagt er. Glauben tut er nicht daran: „Der Krieg ist längst eine ausgemachte Sache.“
    Nach Deutschland mitnehmen wollte Stange gestern dennoch nur das Nötigste. Seine Bücher, Pläne und die Fußballschuhe wird er in einem Keller in Bagdad lagern. Und da er penibel ist, hat er seinem irakischen Co-Trainer für den nächsten Monat bis ins kleinste Detail einen Trainingsplan zusammengestellt. Denn, so Stange: „Fußball wird auch in schwierigsten Zeiten weiter gespielt.“ Selbst in Afghanistan habe man bereits unmittelbar nach dem Krieg wieder Punktspiele ausgerichtet. Fußball, daran glaubt Stange ganz fest, sei ein Botschafter des Friedens. Und das gelte auch für den Irak, schließlich sei es besser, wenn seine Jungs mit Bällen anstatt mit Kanonen trainierten.
    Bis jetzt läuft alles noch ganz normal, seine Jungs trainieren tatsächlich noch mit Bällen. Aber sie alle sind Reservesoldaten im besten Alter und werden daher wohl bald eingezogen werden. „Vielleicht wird die Hälfte von ihnen auf dem Friedhof liegen, wenn ich zurückkomme“, befürchtet der ehemalige Trainer der DDR-Olympiaauswahl.
    In den deutschen Medien war Stange seit seinem Amtsantritt in Bagdad letzten Oktober immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, sich vor den Karren Saddam Husseins spannen zu lassen. Aber er sei in all den Monaten von irakischer Seite nie aufgefordert worden, sich politisch zu äußern. Ohnehin, sagt Stange, sei er für die strikte Trennung von Politik und Sport. „Erklären Sie einmal einem Fan auf Schalke oder in Dortmund, dass es Schröders und nicht Völlers Verdienst ist, dass die Deutschen Vizeweltmeister sind“, sagt er.
    Schon zum zweiten Mal hat die Politik Stanges Fußballträumen ein Ende bereitet. Die DDR-Olympiaauswahl, die sich 1984 für die Spiele in Los Angeles qualifiziert hatte, musste zu Hause bleiben, als der oberste Sowjet, Leonid Breschnew, und der Staatsratsvorsitzende Honecker beschlossen hatten, die Spiele in den USA zu boykottieren. „Zwei Jahre hartes Training waren mit einem Federstrich dahin“, erinnert sich Stange. Jetzt kann seine irakische Mannschaft wahrscheinlich die Olympiaqualifikation gegen Vietnam vergessen.
    „Dazwischen liegen zwanzig Jahre, in denen die Welt nichts dazugelernt hat“, stellt Stange fest. Dann steht er auf und verabschiedet sich freundlich. Er muss los, um seine Mannschaft noch ein letztes Mal beim Mittagessen zu sehen – und um sich zu verabschieden. Er hat für jeden Spieler einen Brief vorbereitet, in dem er dessen Fortschritte anpreist. Am Ende des Briefes heißt es: „Ich bete zu meinem Gott, dass er euch und eure Familien schützt.“
    Nachtrag: Stange kam nach dem Krieg noch einmal kurz zurück und trainierte seine Mannschaft, während US-Panzer auf dem Rasen standen. Doch die Arbeit wurde zu gefährlich. „Als wir auf der Autobahn nahe Falludscha unterwegs waren, wurden wir von Vermummten gestoppt“, erzählt Stange später. „Ich dachte, nun ist alles vorbei. Aber als die mich erkannten, haben sie ‚Stansch! Stansch!‘ skandiert, weil sie Stange ja nicht aussprechen können, haben gejubelt und die Masken abgenommen. Ich musste meine Trainingsjacke dalassen, aber wir durften weiterfahren.“ Im Mai 2004 warf Stange endgültig das Handtuch. Im Jahr darauf übernahm er den Erstligisten Apollon Limassol auf Zypern und später die Nationalmannschaft Weißrusslands.
    Das irakische Team erlebte nach dem Krieg eine Welle von Erfolgen. Bei den olympischen Spielen im August 2004 erreichte es sogar den vierten Platz. Damals wehrten sich die Spieler aber dagegen, als Team in einem der Wahlspots zur Wiederwahl von US-Präsident George Bush aufgetaucht zu sein. In dem Spot wurden die Flaggen von Irak und Afghanistan gezeigt, und ein Sprecher feierte die „zwei neuen freien Nationen, die bei diesen olympischen Spielen teilnehmen“. Mittelfeldspieler Ahmed Manadschid warf Bush gar öffentlich vor, ein Kriegsverbrecher zu sein. „Wenn ich nicht Fußball spielen würde, würde ich mit den Aufständischen gegen die US-Truppen kämpfen“, erklärte der damals 22-Jährige aus Falludscha.
    Die Fußball-Asienmeisterschaft 2007 wurde dann zum größten Erfolg des Irak, als man im Finale die Mannschaft Saudi-Arabiens mit 1 : 0 besiegte und damit zum ersten Mal Asienmeister wurde. Aufgrund der

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