Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
Werbeindustrie den „Markennamen Ramadan“ entdeckt. Schließlich ist das eine Marketing-Etikettierung, die Herz und Seele von weltweit über zwei Milliarden potenziellen muslimischen Käufern anspricht. Dabei wird gerne auch mit den alten Symbolen arabischer Gastfreundschaft in der Wüste gespielt. So ist es in den letzten Jahren in Kairo zur Gewohnheit geworden, dass feine Restaurants ihre Fastenbrech-Kundschaft in immer aufwändigere und größere, speziell für den Ramadan aufgebaute Beduinenzelte zu locken suchen. Die Wüste ruft – die Kasse klingelt.
Doch mit der Kasse ist es auch so ein Problem. In den letzten Jahren ist der Ramadan für viele Ägypter zum Alptraum geworden. Die Haushaltskasse ist leer und die Preise steigen. Ramadanköstlichkeiten sind zu teuer, das Ausführen der ganzen Familie können sich nur noch die wenigsten leisten. Für viele Ägypter ist der Ramadan der Monat der persönlich beschämenden Bankrotterklärung vor der eigenen Familie. Da erweist sich der Gang in die Moschee oft als einziges erschwingliches Ausflugsziel.
Denn mit der zunehmenden religiösen Orientierung der Gesellschaft hat sich ein extremer Gegenpol zum Konsum gebildet. Sichtbarster Ausdruck sind die Tarawih-Gebete. Kurz nach dem Aufruf des Muezzins zum Nachtgebet kommen die Gläubigen zu einem mehrstündigen kollektiven Gebet in der Moschee zusammen und sprechen ihre Tarawih-Gebete. Waren es vor wenigen Jahren nur einige wenige 150-prozentige Moscheegänger, die diese Gebete verrichteten, sind es inzwischen Millionen Ägypter, die kurz nach dem Essen jeden Abend in die nächsten Moschee eilen und dort den ganzen restlichen Abend verbringen.
Die Tradition stammt ursprünglich aus Saudi-Arabien, und Tarawih-Gebete sind auch nicht islamisch vorgeschrieben. Sie gelten aber im Ramadan als freiwillige verdienstvolle Handlung, mit der sich Punkte fürs Paradies sammeln lassen und während derer im Laufe des Fastenmonats einmal der gesamte Koran rezitiert wird. Auf dass es im nächsten Jahr oder wenigstens im nächsten Leben besser werden möge.
Mac Fastenbrech
(Kairo, Ramadan 1995)
„Wie viele Stunden bis zum Iftar?“ In den Köpfen der Kairoer ist das wohl die im Monat Ramadan meistgestellte heimliche Frage. Sie stellt sich immer drängender und öfter, je länger der Tag andauert, begleitet von einem anschwellenden Grummeln im Magen zum Nachmittag hin. Iftar, das ist das allerlösende allabendliche Brechen des Fastens.
Mitunter nehmen derartige Iftars recht eigenartige Formen an, zumal manch einer hofft, mit dem religiösen Brauchtum seinen Umsatz zu steigern. Die neueste Erfindung auf dem Kairoer Markt: „Mac Iftar“ – zu Deutsch „Mac Fastenbrech“. Unschwer lässt sich erraten, welche weltweit bekannte US-amerikanische Fastfood-Kette sich hinter dieser Idee verbirgt. Seit vier Monaten versucht die Firma mit dem gelben M auf rotem Grund nun auch in Kairo ihren Siegeszug über die traditionsbewussten ägyptischen Mägen anzutreten. Und da man eben kulturell etwas eigen ist in den islamischen Ländern, kam die Idee mit dem Mac Fastenbrech auf.
Nicht, dass die Filiale sich zu sehr von ihren Partnern in Berlin, New York oder Moskau unterscheidet. James Dean wandert eingerahmt über den Broadway und blickt verzückt in Richtung der sich rekelnden Madonna auf dem Nachbarbild. Da mag keine so rechte Ramadan-Atmosphäre aufkommen.
Tagsüber kommt nur wenig, meist ausländische, Kundschaft. Aber die meisten ägyptischen US-Fastfood-Fans warten bis zum Iftar. Die Idee für Mac Iftar erweist sich als relativ einfach. Ein „Amr Eddin“ – ein Aprikosensaft –, das traditionelle Iftargetränk im ökologisch wertvollen Cola-Plastikbecher samt Deckel, dazu eine Nudelsuppe, von einer ebenfalls weltbekannten Suppenwürfelfirma, und dann: das Übliche.
„Sie können auswählen“, hilft uns die betont kundenfreundliche Frau an der Kasse und deutet auf die Tafel hinter sich. Auf Arabisch haben wir die Wahl: „Biig Maak Kumbu“ – der große Doppeldecker mit einer Cola und Pommes. Gleiches als paniertes Federvieh, auch „Maak Tschiiken Kumbu“ genannt, und, für die Zahnlosen, den „Maak Naagit Kumbu“. „Nein“, sagt die freundliche Frau an der Kasse, es sei nicht so einfach, den ganzen Tag zu fasten und den Ausländern bei der Nahrungsaufnahme zuzusehen. Zum Iftar kämen nur wenige. Die meisten Ägypter brechen ihr Fasten lieber zu Hause oder bei Bekannten. Sie selber mache sich nichts aus den ganzen
Weitere Kostenlose Bücher