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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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konzentrierten Blick einige schnelle Schlüsse hätte ziehen können: Er war wie ein Hund, der Witterung aufgenommen hatte.
    Jon Boling befand sich auf einer heißen Spur.
    Dance und die anderen waren unterwegs und richteten Überwachungsmaßnahmen ein. Boling war im Büro geblieben, um den Computer des Jungen zu überprüfen. Er hatte einen Anhaltspunkt gefunden und bemühte sich nun, weitere Daten zu lokalisieren, mit deren Hilfe der Code geknackt werden könnte.
    nun... Zeiten...
    Was hatte das zu bedeuten?
    Ein merkwürdiger Aspekt von Computern ist, dass diese verrückten Kästen aus Plastik und Metall in ihrem Innern Geister beherbergen. Eine Festplatte ist wie ein Netzwerk aus geheimen Pfaden und Korridoren, die tiefer und tiefer in die Architektur des Speichers führen. Es ist möglich - wenngleich unter erheblichen Schwierigkeiten -, diese Gänge zu exorzieren und die Geister einstiger Daten auszutreiben, doch normalerweise bleiben die meisten von uns erschaffenen oder erworbenen Informationen für immer erhalten, unsichtbar und fragmentiert.
    Boling streifte nun durch diese Korridore und benutzte dazu ein Programm, das einer seiner Studenten entworfen hatte. Es las die Datenfetzen aus, die sich an manch obskuren Orten verbargen, so wie die Reste von Seelen in einem Spukhaus.
    Bei dem Gedanken an Geister fiel ihm die DVD ein, die Kathryn Dances Sohn ihm am Vorabend geliehen hatte. Ghost in the Shell. Er dachte an die angenehmen Stunden in ihrem Haus zurück und wie sehr es ihm gefallen hatte, ihre Freunde und ihre Familie kennenzulernen. Vor allem die Kinder. Maggie war entzückend und witzig und würde, daran hatte er nicht den geringsten Zweifel, einmal eine ebenso großartige Frau werden wie ihre Mutter. Wes war zurückhaltender, aber ebenfalls sehr intelligent. Man konnte sich gut mit ihm unterhalten. Boling fragte sich oft, wie wohl seine eigenen Kinder geworden wären, falls er mit Cassie eine Familie gegründet hätte.
    Er hoffte, sie hatte Freude an ihrem Leben in China.
    Die Wochen vor ihrer Abreise fielen ihm wieder ein.
    Und er revidierte seinen großzügigen Wunsch hinsichtlich ihres Wohlbefindens in Asien.
    Dann schob Boling die Gedanken an Cassandra beiseite und konzentrierte sich auf seine Geisterjagd im Computer. Er näherte sich etwas Wichtigem. Es verbarg sich hinter dem Fetzen Binärcode, der die Worte nun... zeiten ergab.
    Boling liebte Rätsel und konnte sich häufig darauf verlassen, dass sein Verstand kuriose Logiksprünge vollführte. Er folgerte nun wie von selbst, dass diese beiden Begriffe in Wahrheit Teile des Wortes »Öffnungszeiten« waren. Travis hatte es sich unmittelbar vor seinem Verschwinden online angesehen. Das könnte vielleicht, nur vielleicht, auf einen Ort hindeuten, der den Jungen interessierte.
    Doch Computer speichern zusammengehörige Daten nicht am selben Ort. Der Code für »nun... zeiten« mochte in einem gruseligen Schrank im Keller liegen, während der Name der darauf folgenden Verknüpfung auf einem Flur im Dachgeschoss zu finden war. Ein Teil der physischen Adresse an einer Stelle, der Rest an einer anderen. Das Gehirn eines Computers trifft fortwährend Entscheidungen darüber, die Daten zu zerlegen und in Bruchstücken an Stellen zu speichern, die zwar sinnvoll sind, einem Laien aber unbegreiflich bleiben.
    Und so folgte Boling der Spur und schlenderte durch die finsteren Gänge voller Gespenster.
    Er hatte sich schon seit Monaten oder gar Jahren nicht mehr so sehr für ein Projekt engagiert. Jonathan Boling fühlte sich an der Universität wohl. Er war von Natur aus neugierig, und er mochte die Herausforderung, etwas zu erforschen und darüber zu schreiben, die anregenden Gespräche mit den Fakultätskollegen und seinen Studenten. Es gefiel ihm, in jungen Menschen die Begeisterung für das Lernen zu erwecken. Das Aufleuchten in den Augen eines Hochschülers, wenn vermeintlich zufällige Fakten sich plötzlich zu einem kohärenten Bild vereinigten, bereitete Boling schieres Vergnügen.
    Doch im Augenblick schienen diese befriedigenden Momente und Siege nur von geringerer Bedeutung zu sein, denn es ging darum, Leben zu retten. Und für Boling zählte derzeit nur eines, nämlich den Code zu entschlüsseln.
    nun... zeiten...
    Er sah sich einen weiteren Lagerraum des Spukhauses an. Nichts als durcheinandergewürfelte Bits und Bytes. Schon wieder eine falsche Fährte.
    Mehr Tastendrücke.
    Nichts.
    Boling streckte sich. Ein Gelenk knackte laut. Komm schon,

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