Allwissend
Travis, warum hast du dich für diesen Ort interessiert? Was daran hat dir gefallen?
Und gehst du immer noch dorthin? Arbeitet ein Freund dort? Kaufst du dort etwas ein?
Zehn weitere Minuten.
Aufgeben?
Auf keinen Fall.
Dann erreichte er einen neuen Bereich des Spukhauses und lachte verwundert auf. Als würden die Teile eines Puzzles sich zusammenfügen, manifestierte sich die Antwort auf den Code »nun... zeiten«.
Als Boling den Namen des Ortes vor sich sah, war dessen Beziehung zu Travis Brigham lachhaft einleuchtend. Der Professor ärgerte sich, dass er nicht von selbst darauf gekommen war. Er schlug die Adresse nach, nahm sein Telefon vom Gürtel und rief Kathryn Dance an. Nach dem vierten Klingeln meldete sich ihre Mailbox.
Er wollte schon eine Nachricht hinterlassen, als sein Blick auf seine Notizen fiel. Der Ort war nicht weit von hier entfernt. Höchstens fünfzehn Minuten.
Er klappte das Telefon leise zu, stand auf und zog seine Jacke an.
Nach einem unwillkürlichen Blick auf das Foto von Dance und ihren Kindern - samt den Hunden zu ihren Füßen - verließ er das Büro und steuerte den Ausgang des CBI-Gebäudes an.
Mit dem Bewusstsein, dass sein Vorhaben vermutlich eine sehr schlechte Idee war, verließ Jon Boling die synthetische Welt, um seine Nachforschungen in der Wirklichkeit fortzusetzen.
»Das Haus ist gesichert«, sagte Rey Carraneo zu Kathryn Dance, als er ins Wohnzimmer zurückkehrte, wo sie mit gezogener Pistole bei Donald und Lily Hawken stand. Ihr Blick schweifte beständig zwischen den Fenstern und Türen hin und her.
Das Ehepaar saß sichtlich mitgenommen auf einer neuen Couch, die noch in die Plastikfolie der Fabrik gewickelt war.
Dance steckte die Glock ein. Sie war zwar nicht davon ausgegangen, den Jungen im Haus vorzufinden - er hatte sich im seitlichen Garten versteckt und war beim Eintreffen der Polizei offenbar geflohen -, doch angesichts Travis' meisterlicher Beherrschung des Spiels DimensionQuest und seiner Kampfkünste fragte sie sich, ob der Teenager womöglich nur so getan hatte, als würde er fliehen, um sich stattdessen hineinzuschleichen.
Die Tür ging auf, und der massige Albert Stemple steckte den Kopf herein. »Nichts. Er ist weg.« Er keuchte - sowohl wegen der Verfolgung als auch wegen der Nachwirkungen des Gases aus Kelley Morgans Haus. »Der Deputy fährt die umliegenden Straßen ab. Ein halbes Dutzend weiterer Fahrzeuge ist unterwegs. Jemand hat einen Radfahrer mit Kapuzenshirt auf dem Weg durch die Gassen in Richtung Innenstadt gesehen. Ich hab es durchgegeben, aber...« Er zuckte die Achseln. Dann machte er kehrt und schloss sich wieder der Fahndung an. Seine schweren Schritte polterten die Stufen hinab.
Dance, Carraneo, Stemple und der Deputy des MCSO waren vor zehn Minuten eingetroffen. Während der vorangegangenen Treffen mit potenziellen Opfern hatte Dance eine Idee im Zusammenhang mit Jon Bolings Theorie gehabt: Travis erweiterte den Kreis seiner Zielpersonen eventuell auch auf diejenigen, die in dem Blog lediglich vorteilhaft erwähnt wurden, auch wenn sie selbst niemals gepostet hatten.
Daraufhin hatte Dance die Homepage des Blogs ein weiteres Mal aufgesucht und überflogen.
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Http://www.thechiltonreport.com
Der Name Donald Hawken stach besonders hervor. James Chilton erwähnte den alten Freund im Abschnitt »An der Heimatfront«. Er konnte das Opfer sein, für das Travis das Kreuz an dem windigen Teilstück des Highway 1 hinterlassen hatte.
Also waren sie zu dem Haus des Mannes gefahren, um Hawken und seine Frau aus der Gefahrenzone zu bringen und eine Überwachung einzurichten.
Doch bei ihrer Ankunft hatte Dance eine Gestalt mit Kapuze gesehen, die im Gebüsch neben dem Ranchgebäude lauerte und eine Waffe in der Hand zu halten schien. Albert Stemple und der MCSO-Beamte waren dem Eindringling hinterhergeeilt, während Rey Carraneo und Dance mit gezogenen Pistolen ins Haus gestürmt waren, um Hawken und seine Frau zu beschützen.
Die beiden waren immer noch ganz durcheinander. Sie hatten Carraneo für den Killer gehalten. Immerhin war dieser bewaffnete Fremde in Zivil jäh zur Tür hereingeplatzt.
Dances Funkgerät erwachte zum Leben. Es war wieder Stemple. »Ich bin im Garten«, meldete er. »Hier ist ein Kreuz in die Erde gescharrt worden, und es liegen Rosenblätter darum herum.«
»Roger. Danke, Al.«
Lily schloss die Augen und lehnte ihren Kopf an die Schulter ihres Mannes.
Vier oder fünf Minuten, dachte Dance. Wären
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