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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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sich in Wahrheit das letzte Mal schlecht gefühlt hatte. Vermutlich als er die Noteinlieferung und Blinddarmoperation seiner Tochter verpasst hatte, weil er mit seiner Geliebten im Bett gewesen war.
    »Eine Tragödie.«
    »Ich weiß, ich wiederhole mich ständig, aber ich glaube wirklich, dass dieses Blog die Ursache ist.«
    »Stimmt«, pflichtete Overby ihm bei. »Es ist das Auge des Hurrikans.«
    Im Auge eines Hurrikans ist es ruhig und der Himmel strahlend blau, korrigierte Royce ihn in Gedanken.
    »Nun, immerhin hat Kathryn bewirkt, dass Chilton den Jungen in seinem Blog auffordert, sich zu stellen«, sagte der CBI-Chef. »Und er hat uns einige Einzelheiten über den Server mitgeteilt - ein Proxy in Skandinavien.«
    »Ich verstehe. Es ist nur so, dass... solange dieses Blog im Netz steht, ist es wie eine Mahnung, dass die Aufgabe nicht erledigt wird.« Und zwar von Ihnen, sollte das heißen. »Ich komme immer wieder auf die Frage zurück, ob wir nicht etwas gegen Chilton in der Hand haben, das uns weiterhelfen könnte.«
    »Kathryn hat gesagt, sie hält die Augen offen.«
    »Sie ist beschäftigt. Vielleicht findet sich ja etwas bei dem, was sie bereits in Erfahrung gebracht hat. Wir sollten Agent Dance aber keineswegs unnötig in Anspruch nehmen. Ich könnte ja selbst mal einen Blick darauf werfen.«
    »Sie?«
    »Sie hätten doch nichts dagegen, dass ich mir einen schnellen Überblick verschaffe, oder, Charles? Ich könnte eine andere Perspektive beisteuern. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe den Eindruck, dass Kathryn womöglich zu nett ist.«
    »Zu nett?«
    »Es war eine kluge Entscheidung, dass Sie sie angeheuert haben, Charles.«
    Overby nahm das Kompliment bereitwillig entgegen. Royce wusste jedoch, dass Kathryn Dance schon vier Jahre länger beim hiesigen CBI war als ihr Chef. »Sehr klug sogar«, fuhr er fort. »Sie haben erkannt, dass sie das geeignete Gegenmittel für den Zynismus alter Haudegen darstellt, wie Sie und ich es sind. Aber der Preis dafür ist eine gewisse... Naivität.«
    »Glauben Sie, dass Kathryn etwas gegen Chilton in der Hand hat, ohne es zu wissen?«
    »Könnte sein.«
    Overby wirkte angespannt. »Nun, ich entschuldige mich für sie. Sie ist wohl gerade ziemlich abgelenkt, meinen Sie nicht auch? Wegen ihrer Mutter und so. Sie ist mit ihrer Konzentration nicht ganz auf der Höhe. Aber sie bemüht sich nach Kräften.«
    Hamilton Royce war für seine Skrupellosigkeit bekannt, aber er hätte es niemals fertiggebracht, einem loyalen Mitglied seines Teams mit einem solchen Kommentar in den Rücken zu fallen. Er dachte, dass es fast schon beeindruckend war, die drei finstersten Eigenschaften der menschlichen Natur so unverfälscht vorgeführt zu bekommen: Feigheit, Kleinlichkeit und Verrat. »Ist sie hier?«
    »Das haben wir gleich.« Overby rief jemanden an, bei dem es sich, so folgerte Royce, um Dances Assistentin handelte. Er legte auf.
    »Sie ist immer noch am Tatort beim Haus der Hawkens.«
    »Na gut, dann schaue ich mich kurz mal um.« Doch dann schien Royce etwas einzufallen. »Natürlich wäre es besser, wenn ich dabei ungestört bleiben könnte.«
    »Ich habe eine Idee. Ich rufe noch mal ihre Assistentin an und bitte sie um etwas. Erteile ihr einen Auftrag. Es müssen immer irgendwelche Berichte fotokopiert werden. Oder... ich weiß: Ich frage sie nach der Arbeitsbelastung und ihren Überstunden. Es wäre für mich nicht unüblich, mich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Ich bin diese Art von Chef. Sie wird nie im Leben vermuten, dass etwas anderes der Grund sein könnte.«
    Royce verließ Overbys Büro, ging einige Flure entlang, die er sich eingeprägt hatte, und wartete in der Nähe von Dances Tür. Wenig später sah er, dass die Assistentin - eine tüchtig wirkende Frau namens Maryellen - einen Anruf entgegennahm. Dann stand sie mit völlig verblüffter Miene auf und ging weg. Hamilton Royce hatte freie Bahn.
     
    Als er das Ende der Gasse erreichte, blieb Jon Boling stehen und schaute nach rechts eine Nebenstraße entlang in die Richtung, in die Travis abgebogen war. Das Gelände verlief von hier aus abschüssig zur Monterey Bay und war mit kleinen Einfamilienbungalows bebaut, mit beigefarbenen und gelbbraunen Mietshäusern und jeder Menge Versteckmöglichkeiten. Die Straße war leer, obwohl hinter ihm auf der Lighthouse Avenue dichter Verkehr herrschte. Es war Nebel aufgezogen, der alles in graue Schwaden hüllte.
    Tja, nun, da der Junge entwischt ist, wird Kathryn Dance wohl

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