Allwissend
ihn als Ungeheuer dargestellt! Du hast ihm nicht einmal die Gelegenheit zu einer Erklärung gegeben. Gott war dabei, ihm den Weg zu weisen.«
»Tja, dann hat Gott aber keine allzu gute Arbeit geleistet. Nicht wenn...«
Die Faust schlug wieder zu.
»Jim, widersprich ihm nicht. Bitte!«
Chilton senkte den Kopf. Er sah endlich verzweifelt aus, voller Sorge und Angst.
Schaeffer genoss es, die Hoffnungslosigkeit des Mannes auszukosten. »Lies die Erklärung vor.«
»Also gut. Ich mache, was Sie verlangen. Ich werde es vorlesen. Aber meine Familie... bitte.« Die Qual auf Chiltons Zügen war für Schaeffer wie edler Wein.
»Du hast mein Wort darauf.« Er sagte das mit Aufrichtigkeit, obwohl er gleichzeitig dachte, dass Patrizia ihren Mann um nicht mehr als zwei Sekunden überleben würde - was letztlich ein Akt der Menschlichkeit war. Sie würde ohne ihn sowieso nicht weiterleben wollen. Außerdem war sie eine Zeugin.
Was die Kinder anging, nein, er würde ihnen nichts tun. Zunächst mal würden sie erst in knapp einer Stunde nach Hause kommen, wenn er längst nicht mehr hier war. Außerdem wollte er die Zustimmung der Welt. Den Blogger und seine Frau zu töten war das eine. Die Kinder standen auf einem anderen Blatt.
Schaeffer klebte nun einen Zettel unter die Kamera. Darauf stand die Erklärung, die er am Morgen verfasst hatte. Es war ein bewegender Text - und der Wortlaut stellte sicher, dass niemand eine Verbindung zwischen der Tat und Schaeffer erkennen würde.
Chilton räusperte sich und kniff die Augen zusammen. Er fing an zu lesen. »Dies ist eine Erklärung...« Seine Stimme überschlug sich.
Herrlich! Schaeffer ließ die Kamera laufen.
Chilton fing von vorn an. »Dies ist eine Erklärung für all diejenigen, die mein Blog, den Chilton Report, im Laufe der Jahre gelesen haben. Es gibt auf der Welt nichts Kostbareres als den guten Ruf eines Menschen, und ich habe mein Leben der Aufgabe gewidmet, das Ansehen vieler anständiger, rechtschaffener Bürger wahllos und völlig unnötigerweise zu zerstören.«
Er machte seine Sache gut.
»Es ist einfach, einen billigen Computer, eine Internetpräsenz und irgendeine Blog-Software zu kaufen. Schon nach fünf Minuten hat man ein Podium zur Veröffentlichung der eigenen Ansichten - ein Podium, das von Millionen von Menschen in aller Welt gesehen wird. Das verleiht ein berauschendes Gefühl von Macht. Doch diese Macht wurde nicht durch Verdienste erworben. Sie wurde gestohlen.
Vieles von dem, was ich geschrieben habe, waren reine Gerüchte. Diese Gerüchte haben sich verbreitet und wurden für die Wahrheit gehalten, obwohl es sich um hundertprozentige Lügen gehandelt hat. Wegen meines Blogs wurde die Existenz eines jungen Mannes namens Travis Brigham vernichtet. Er hat nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnt. Und ich auch nicht. Er hat die Leute zur Rechenschaft gezogen, die ihn angegriffen haben. Leute, die meine Freunde waren. Und nun übt er an mir Gerechtigkeit, denn ich trage die Schuld für die Vernichtung seines Lebens.«
Prächtige Tränen rannen über sein Gesicht. Schaeffer war im Himmel.
»Ich übernehme die Verantwortung für die Zerstörung von Travis' gutem Ruf und dem Ansehen all jener, über die ich so gleichgültig geschrieben habe. Die Strafe, die Travis nun an mir vollstrecken wird, soll anderen eine Warnung sein: Die Wahrheit ist heilig. Gerüchte sind nicht die Wahrheit... Und jetzt lebt wohl.«
Er atmete tief ein und sah zu seiner Frau.
Schaeffer war zufrieden. Der Mann hatte gute Arbeit geleistet. Er hielt die Webcam an und überprüfte den Bildausschnitt. Nur Chilton war zu sehen. Die Frau nicht. Schaeffer wollte ihren Tod nicht im Bild festhalten, nur den des Bloggers. Er fuhr ein Stück zurück, sodass der gesamte Oberkörper des Mannes sichtbar war. Er würde Chilton einen Schuss ins Herz verpassen und seinen Tod filmen. Dann würde er das Video bei mehreren Internet-Communitys hochladen und es an andere Blogs schicken. Schaeffer schätzte, dass es zwei Minuten dauern würde, bis der Film bei YouTube auftauchte. Bevor die Firma ihn wieder entfernte, dürften einige Millionen Leute ihn angesehen haben. Bis dahin hätten sie außerdem mit Hilfe illegaler Software, dank derer Streaming-Videos sich speichern ließen, längst unzählige Exemplare des Films angefertigt. Diese würden sich wie Krebszellen auf der ganzen Welt ausbreiten.
»Die Polizei wird Sie finden«, murmelte Chilton.
»Aber sie wird doch gar nicht nach mir
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