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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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improvisierten Kreuze denken. Auch an das in ihrem eigenen Garten.
    Sollte sie Verstärkung rufen und eine Durchsuchung anordnen? Nein, noch nicht. Erst würde sie sich weiter umsehen.
    Sie wünschte, der anonyme Anrufer wäre hier. Sogar der widerwilligste Zeuge konnte sich als die Quelle aller Informationen erweisen, die sie benötigte. Ein gutes Beispiel dafür war Tammy Foster, deren Mangel an Kooperationsbereitschaft die Ermittlungen nicht im Mindesten verzögert hatte.
    Tammys Computer. Darin finden wir die Antwort. Nun ja, nicht unbedingt die Antwort. Aber eine Antwort...
    Doch sie hatte den Anrufer nicht hier; sie hatte bloß ihre Taschenlampe und eine gruselige verlassene Baustelle.
    Wo sie nach »etwas« suchte.
    Dance schob sich nun durch eines der Tore im Zaun, die im Laufe der Jahre aufgebogen worden waren, und drang langsam auf das Grundstück vor. Das Hauptgebäude war in den Flammen vollständig eingestürzt. Und die anderen Bauten - Geräteschuppen, Garagen und Zimmertrakte - waren mit Brettern vernagelt. Es gab ein halbes Dutzend ausgeschachteter Fundamente. Sie waren mit orangefarbenen Warnschildern markiert, aber der Nebel war dicht und warf einen Teil des Lichts zurück. Dance achtete sorgfältig darauf, nicht in eine der offenen Gruben zu stürzen.
    Vorsichtig arbeitete sie sich Schritt für Schritt weiter voran, blieb immer wieder stehen und hielt nach Fußspuren Ausschau.
    Was, zum Teufel, hatte der Anrufer gesehen?
    Dann hörte Dance ein Geräusch. Es kam nicht aus unmittelbarer Nähe, war aber auch nicht zu weit entfernt. Ein lautes Knacken. Dann noch eines.
    Sie erstarrte.
    Ein Reh, vermutete sie. Es gab davon hier in der Gegend jede Menge. Doch das waren nicht die einzigen einheimischen Tiere. Letztes Jahr hatte ein Puma eine Touristin getötet, die nicht weit von hier joggen gewesen war. Das Tier hatte die arme Frau zerfetzt und war verschwunden. Dance knöpfte ihre Jacke auf und legte die Hand auf den Griff ihrer Glock.
    Noch ein Knacken, dann ein Quietschen.
    Wie die Angeln einer alten Tür, die sich öffnete.
    Dance erschauderte vor Angst. Der Kreuz-Killer mochte keine Bedrohung mehr darstellen, doch das hieß nicht, dass es hier keine Meth-Kocher oder Straßenbanden geben konnte.
    Dennoch dachte sie nicht an Rückzug. Travis konnte hier sein. Mach weiter.
    Sie wagte sich zehn oder zwölf Meter weiter vor. Dance suchte nach Gebäuden, in denen sich ein Entführungsopfer befinden konnte, nach Türen mit Vorhängeschlössern, nach Fußabdrücken.
    Dann glaubte sie wieder ein Geräusch zu hören - eine Art Stöhnen. Beinahe hätte sie laut den Namen des Jungen gerufen, doch ihr Instinkt hielt sie davon ab.
    Und dann verharrte sie jäh.
    Keine zehn Meter vor ihr zeichnete sich die geduckte Silhouette einer Person im Nebel ab.
    Dance keuchte auf, schaltete die Lampe aus und zog ihre Waffe.
    Ein weiterer Blick. Wer - oder was - das auch gewesen sein mochte, war weg.
    Doch sie hatte es sich nicht eingebildet. Sie war sich sicher, dass sie jemanden gesehen hatte; einen Mann, nach der Körperhaltung zu schließen.
    Nun waren rechts von ihr deutlich Schritte zu vernehmen. Zweige knackten, Laub raschelte. Er wollte sie seitlich umgehen. Dann blieb er stehen.
    Dance dachte an das Mobiltelefon in ihrer Tasche. Aber falls sie jemanden anrief, würde sie mit ihrer Stimme ihren Standort verraten. Und sie musste davon ausgehen, dass jemand, der sich in einer feuchten, nebligen Nacht hier im Dunkeln herumtrieb, irgendwas im Schilde führte.
    Dreh um, forderte sie sich auf. Geh zurück zum Wagen. Sofort. Sie dachte an die Schrotflinte im Kofferraum, eine Waffe, die sie bisher nur einmal abgefeuert hatte. Auf der Schießbahn.
    Dance machte kehrt und eilte davon. Jeder Schritt ließ laut die Blätter rascheln. Jeder Schritt rief: Hier bin ich, hier bin ich.
    Sie blieb stehen. Der Eindringling nicht. Seine Schritte verrieten, dass er unvermindert durch das Unterholz lief, irgendwo rechts von ihr im dunklen Nebel.
    Dann hörten die Geräusche auf.
    War er ebenfalls stehen geblieben? Oder befand er sich nun auf blattlosem Untergrund und bereitete einen Angriff vor?
    Lauf einfach zurück zum Wagen, geh in Deckung, lad die Schrotflinte durch und ruf Verstärkung.
    Bis zum Zaun waren es noch fünfzehn oder zwanzig Meter. Im trüben Dämmerlicht - vom diffusen Mond hinter Nebelschwaden - ließ sie den Blick über das Gelände schweifen. Manche Stellen waren weniger dicht bewachsen als andere, aber es war

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