Allwissend
unmöglich, sich vollkommen lautlos fortzubewegen. Sie ermahnte sich, dass sie nicht länger warten durfte.
Trotzdem war der andere immer noch still.
Versteckte er sich?
War er abgehauen?
Oder schlich er sich im Schutz des Dickichts an sie heran?
Dance geriet allmählich in Panik. Sie wirbelte herum, sah aber nichts als die Gerippe von Häusern, Bäumen und einigen großen rostigen Tanks, die halb aus der Erde ragten.
Dance duckte sich und zuckte von dem Schmerz in ihren Gelenken zusammen - Nachwirkungen der Verfolgungsjagd und des Sturzes vor zwei Tagen im Wald hinter Travis' Haus. Dann hielt sie so schnell wie möglich auf den Zaun zu und widerstand dem fast überwältigenden Impuls, auf dem Baustellengelände voller riskanter Fallstricke einfach loszurennen.
Noch acht Meter bis zum Zaun.
Ein Knacken ganz in der Nähe.
Sie blieb sofort stehen, ging in die Knie, hob die Waffe und suchte nach dem Gegner. In der linken Hand hielt sie die Taschenlampe und hätte sie beinahe eingeschaltet, doch wieder hielt ihr Instinkt sie davon ab. Der Lichtstrahl würde sie im Nebel blenden und dem anderen ein erstklassiges Ziel bieten.
Nicht weit entfernt huschte ein Waschbär aus seinem Versteck und lief steifbeinig davon. Er war sichtlich verärgert über die Störung.
Dance stand auf, wandte sich wieder dem Zaun zu und ging hastig los, wobei sie häufig nach hinten schaute. Sie konnte keinen Verfolger entdecken. Schließlich schob sie sich durch das Tor und lief auf ihren Wagen zu. Sie steckte die Taschenlampe ein, nahm ihr Mobiltelefon, klappte es auf und scrollte durch die zuletzt gewählten Nummern.
In diesem Moment hallte sehr dicht hinter ihr eine Stimme durch die Nacht. »Keine Bewegung«, sagte der Mann. »Ich bin bewaffnet.«
Dance erstarrte. Ihr Herz raste. Er war ihr vollständig ausgewichen und hatte ein anderes Tor benutzt oder war leise über den Zaun geklettert.
Sie überlegte: Falls er tatsächlich bewaffnet war und es auf sie abgesehen hätte, wäre sie längst tot. Und bei all dem Nebel und den schlechten Lichtverhältnissen hatte er die Pistole in ihrer Hand vielleicht gar nicht bemerkt.
»Legen Sie sich auf den Boden. Sofort.«
Dance drehte sich langsam um.
»Nein! Hinlegen!«
Doch sie drehte sich weiter, bis sie den Eindringling mit ausgestrecktem Arm vor sich hatte.
Scheiße. Er war bewaffnet und zielte auf sie.
Doch dann sah sie das Gesicht des Mannes und hielt verblüfft inne. Er trug die Uniform des Monterey County Sheriff's Office, und sie kannte ihn. Es war der junge blauäugige Deputy, der ihr schon mehrmals behilflich gewesen war. David Reinhold.
»Kathryn?«
»Was machen Sie denn hier?«
Reinhold schüttelte den Kopf und lächelte ungläubig. Er antwortete nicht, sondern sah sich nur um. Dann ließ er die Waffe sinken, steckte sie aber nicht ein. »Waren Sie das? Da auf dem Gelände?«, fragte er schließlich mit Blick auf die Baustelle.
Sie nickte.
Reinhold schaute sich immer noch angespannt um. Seine Körperhaltung verriet, dass er weiterhin kampfbereit blieb.
Dann ertönte plötzlich eine blecherne Stimme. »Boss, bist du das? Hast du mich angerufen?«
Reinhold runzelte die Stirn.
Dance hob ihr Mobiltelefon. »TJ, bist du da?« Als sie den Eindringling hinter sich gehört hatte, hatte sie die Wähltaste gedrückt. »Ja, Boss. Was gibt's?«
»Ich bin bei der Baustelle an der Harrison Road. Deputy Reinhold vom Sheriff's Office ist auch hier.«
»Habt ihr etwas gefunden?«, fragte der junge Agent.
Dance merkte, dass ihr nach dem anfänglichen Schreck nun die Knie weich wurden. Ihr Herz schlug immer noch viel zu schnell. »Noch nicht. Ich melde mich wieder.«
»Alles klar, Boss.«
Sie trennte die Verbindung.
Reinhold steckte endlich seine Waffe weg. Er atmete tief ein und ließ die Luft mit geblähten Wangen langsam entweichen. »O Mann, ich hab Blut und Wasser geschwitzt.«
»Was machen Sie hier?«, fragte Dance.
Er erklärte, das MCSO habe vor einer Stunde einen Anruf erhalten, es gebe unweit der Kreuzung von Pine Grove Way und Harrison Road »etwas«, das für den Fall relevant sei.
Derselbe Anruf, der auch Dance veranlasst hatte herzukommen.
Reinhold sagte, da er mit dem Fall vertraut sei, habe er angeboten, mal nach dem Rechten zu sehen. Während der Durchsuchung der Baustelle sei ihm dann unvermutet der sich nähernde Strahl einer Taschenlampe aufgefallen. Er habe Dance im Nebel nicht erkannt und befürchtet, sie sei ein Meth-Kocher oder
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