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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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einen Moment. Keiner von ihnen hatte ein Funkgerät; dies war nicht als taktischer Zugriff geplant gewesen. Und zu O'Neils Wagen zurückzukehren, um der Zentrale zu melden, dass sie die Verfolgung aufnahmen, hätte zu lange gedauert. Sie hatten die Chance, Travis zu fangen, und so liefen sie einfach los.
    CBI-Agenten wurden in grundlegenden Nahkampftechniken ausgebildet - doch die meisten, darunter auch Dance, hatten sich noch nie wirklich im Nahkampf befunden. Man verlangte ihnen außerdem gelegentliche Fitnesstests ab. Dance war in guter körperlicher Verfassung, aber das lag nicht an den Anforderungen des CBI, sondern an ihren Wanderungen durch die Wildnis, um Musik für ihre Internetseite aufzuspüren. Trotz ihrer unpraktischen Kleidung - schwarzer Faltenrock, Jackett und Bluse - übernahm Dance nun die Führung, als sie und O'Neil den Jungen eilends durch den Wald verfolgten.
    Leider war Travis etwas schneller unterwegs.
    O'Neill hatte sein Mobiltelefon gezückt und bat soeben keuchend um Verstärkung.
    Sie beide rangen nun hörbar nach Luft, und Dance fragte sich, ob die Zentrale ihn überhaupt verstehen konnte.
    Der Junge verschwand außer Sicht, und die Beamten wurden langsamer. Dann sah Dance ihn etwa fünfzehn Meter voraus aus einem Gebüsch zum Vorschein kommen. »Da! Ist das eine Waffe?« Er hielt etwas Dunkles in der Hand.
    »Kann ich nicht sagen.«
    Es hätte eine Pistole sein können, vielleicht auch ein Rohr oder ein Messer. Egal...
    Er tauchte in ein Dickicht ein, hinter dem Dance für einen Moment das Schimmern eines grünen Tümpels erkennen konnte. Wahrscheinlich die Ursache des Gestanks.
    O'Neil sah sie an.
    Sie seufzte und nickte. Dann zogen sie beide gleichzeitig ihre Glocks.
    Sie liefen weiter.
    Dance und O'Neil hatten schon oft zusammengearbeitet und ergänzten einander bei den Ermittlungen nahezu instinktiv. Allerdings waren sie eher damit vertraut, komplizierte Rätsel zu lösen, als Soldat zu spielen.
    Kathryn musste sich die Regeln leise vorbeten: Finger nicht am Abzug, niemals in die Schusslinie des Partners laufen, und Mündung nach oben richten, falls er in deine Schusslinie läuft. Schießen nur zur Verteidigung, Hintergrund des Schussfelds beachten, in Dreiersalven feuern, Patronen mitzählen.
    Dance hasste das.
    Doch ihnen bot sich die Gelegenheit, den Kreuz-Täter aufzuhalten. Dance dachte wieder an Tammy Fosters verängstigten Blick und rannte weiter.
    Der Junge war abermals nicht zu sehen. Sie kamen an eine Weggabelung. Travis hatte vermutlich eine der beiden Abzweigungen gewählt, denn das Unterholz war hier sehr dicht und teilweise unpassierbar. O'Neil deutete wortios nach links, dann nach rechts und hob fragend eine Augenbraue.
    Wirf doch 'ne Münze, dachte sie verärgert. Es beunruhigte sie, dass sie und O'Neil sich trennen mussten. Sie nickte nach links.
    Vorsichtig bog jeder auf seinen Pfad ein.
    Während sie so durch das Dickicht schlich, wurde Dance bewusst, wie ungeeignet sie für diese Rolle war. Ihre Welt war die der Worte, Mienen und kaum wahrnehmbaren Gesten. Nicht taktisches Zeug wie das hier.
    Sie wusste, dass Menschen verletzt oder getötet werden konnten, wenn sie ihre vertraute Umgebung verließen. Eine schlimme Vorahnung überkam sie.
    Stopp!, ermahnte sie sich. Such Michael, geh mit ihm zurück zum Wagen und warte auf die Verstärkung.
    Zu spät.
    Sie hörte von unten ein Rascheln, sah hin und erblickte den Jungen, der sich neben ihr im Gebüsch verbarg und ihr soeben einen dicken Ast quer vor die Beine schleuderte. Dance wollte darüber hinwegspringen, wurde am Fuß getroffen und geriet ins Stolpern. Um nicht haltlos zu stürzen, ließ sie sich auf die Seite fallen und rollte sich ab.
    Dadurch wurde ihr Handgelenk geschont.
    Und die kantige Glock flog in hohem Bogen ins Gestrüpp.
    Unmittelbar daraufhörte Dance die Sträucher erneut rascheln, als der Junge - der sich anscheinend erst vergewissert hatte, dass sie allein war - aus seinem Versteck hervorsprang.
     
    Wie leichtsinnig, dachte Michael O'Neil wütend.
    Er lief in die Richtung, aus der Dances Aufschrei gekommen war, doch nun wurde ihm klar, dass er keine Ahnung hatte, wo sie war.
    Sie hätten zusammenbleiben sollen. Es war leichtsinnig gewesen, sich zu trennen. Ja, es ergab Sinn, so viel Gelände wie möglich abzudecken, aber während er schon mehrere Feuergefechte und Verfolgungsjagden erlebt hatte, war Kathryn Dance in dieser Hinsicht völlig unerfahren.
    Falls ihr etwas zustieß...
    In der Ferne

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