Allwissend
druckte die Liste aus - sie enthielt ungefähr dreißig Pseudonyme und die jeweiligen IP-Adressen - und gab sie ihm. Er verzog sich zurück in seine Ecke der Höhle und hockte sich vor seinen Computer.
»Ich hab vielleicht was, Boss.« TJ hatte Fotos der Maske in diversen Foren und Blogs gepostet und gefragt, ob jemand den Ursprung kenne. Er fuhr sich mit der Hand durch das lockige rote Haar. »Du darfst mir auf die Schulter klopfen.«
»Was gibt's?«
»Das ist das Gesicht einer Figur aus einem Computerspiel.« Ein Blick auf die Maske. »Qetzal.« »Wie bitte?«
»So heißt er. Ein Dämon, der die Leute mit Strahlen aus seinen Augen tötet. Und er kann nur stöhnen, denn jemand hat ihm den Mund zugenäht.«
»Also rächt er sich an Menschen, die noch richtig kommunizieren können.«
»Ich hab über ihn keine Doktorarbeit geschrieben, Boss«, sagte TJ.
»In Ordnung.« Sie lächelte.
»Das Spiel heißt DimensionQuest«, fuhr TJ fort.
»Ein Morpeg«, verkündete Boling, ohne von seinem Computer aufzublicken.
»Was ist das?«
»DimensionQuest ist ein Online-Rollenspiel oder genauer ein >Massively Multiplayer Online Roleplaying Game<, abgekürzt MMORPG. Ich nenne die Dinger >Morpegs<. Und DQ ist eines der beliebtesten.«
»Hilft uns das weiter?«
»Das weiß ich noch nicht. Wir werden es herausfinden, sobald wir Zugriff auf Travis' Computer haben.«
Die Zuversicht des Professors gefiel Dance. »Sobald« und nicht »sofern«. Sie lehnte sich zurück, nahm ihr Mobiltelefon und rief ihre Mutter an. Es hob immer noch niemand ab.
Schließlich versuchte sie es bei ihrem Vater.
»Hallo, Katie.«
»Dad. Wie geht es Mom? Sie hat nicht zurückgerufen.«
»Oh.« Ein Zögern. »Sie ist ziemlich durcheinander, wie du dir denken kannst. Ich glaube, sie ist einfach nicht in der Stimmung, mit jemandem zu reden.«
Dance fragte sich, wie lange ihre Mutter am Vortag wohl mit Kathryns Schwester Betsey telefoniert hatte.
»Hat Sheedy sich noch mal gemeldet?«
»Nein. Er stellt einige Nachforschungen an, hat er gesagt.«
»Dad, Mom hat doch keine Angaben gemacht, oder?«
»Gegenüber der Polizei?«
»Oder gegenüber Harper, dem Staatsanwalt.«
»Nein.«
»Gut.«
Sie hätte ihn am liebsten gebeten, ihre Mutter an den Hörer zu holen. Aber sie fürchtete sich davor, dass Edie sich weigern könnte. »Es bleibt dabei: Ihr kommt heute zum Abendessen, ja?«, fragte sie fröhlich.
Er versicherte, sie würden kommen, obwohl sein Tonfall eher daraufhindeutete, dass sie es versuchen würden.
»Ich hab dich lieb, Dad. Mom auch, bitte richte es ihr aus.«
»Tschüs, Katie.«
Sie trennten die Verbindung. Dance starrte das Telefon mehrere Minuten lang an. Dann stand sie auf, ging den Korridor hinauf und betrat ohne anzuklopfen das Büro ihres Chefs.
Overby legte gerade den Telefonhörer auf die Gabel. Er wies auf den Apparat. »Kathryn, gibt es etwas Neues zu dem Überfall auf Kelley Morgan? Etwas im Zusammenhang mit Biowaffen? News Nine hat angerufen.«
Sie schloss die Tür. Overby musterte sie beunruhigt.
»Es gab keine biologischen Waffen, Charles. Das waren bloß Gerüchte.«
Dance ging die Anhaltspunkte kurz durch: die Maske, das Behördenfahrzeug, die Haushaltsreiniger, Caitlin Gardners Aussage, Travis habe eine Vorliebe für die Küste. »Und Chilton hat nachgegeben. Wir kennen jetzt die Internetadressen der Poster.«
»Das ist gut.« Overbys Telefon klingelte. Er sah hin, ließ aber seine Assistentin im Vorzimmer den Anruf annehmen.
»Charles, haben Sie gewusst, dass meine Mutter verhaftet werden würde?«
Er sah sie ungläubig an. »Ich... nein, natürlich nicht.« »Was hat Harper Ihnen erzählt?«
»Dass er die Fallzahlen überprüfen wolle.« Er klang förmlich. Verteidigend. »Wie ich bereits gestern gesagt habe.«
Sie konnte nicht erkennen, ob er log. Und sie wusste auch, weshalb: Dance verstieß gegen die älteste Regel der kinesischen Befragung. Sie war emotional beteiligt. Wenn das geschah, blieben all ihre Fähigkeiten auf der Strecke. Sie hatte keine Ahnung, ob ihr Chef sie hintergangen hatte oder nicht.
»Er hat unsere Akten durchgesehen, um herauszufinden, ob ich die Unterlagen im Fall Miliar frisiert habe.«
»Oh, das kann ich mir nicht vorstellen.«
Die Anspannung im Raum war fast greifbar.
Dann legte sie sich plötzlich, als Overby aufmunternd lächelte. »Ach, Sie machen sich zu viele Gedanken, Kathryn. Es wird eine Untersuchung geben, und dann löst die Anklage sich in Wohlgefallen auf.
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