Almas Baby
und unserem Baby ist nichts passiert?“, fragte Katja ihren Mann. „Sicher“, antwortete Jens, obwohl er selbst keineswegs so sicher war. Dass seine neugeborene Tochter noch am selben Tag lebend gesehen worden war, konnte er schließlich nicht ahnen. Davon hatten sie im Fernsehaufruf nichts gesagt. Ein Manko übrigens, das Volker Lauer sofort korrigieren ließ und für die Printmedien ausdrücklich bestätigte, wann und wo Alma Behrend mit dem entführten Kind zuletzt gesehen wurde.
Die ersten Hinweise gingen bereits während der Nacht bei der Kriminalwache im Polizeipräsidium ein. Die Beamten begannen sofort mit der Überprüfung: Im Stollenpark sei mitten in der Nacht eine Frau mit Kinderwagen gesichtet worden. Die sofort losgeschickte Streife kam unverrichtete Dinge wieder zurück. Auch die Beamten, die wegen eines schreienden Babys in die Mallinckrodtstraße eilten, blieben ohne Fahndungserfolg. Das Kind war, wohlgeborgen, innerhalb seiner Familie aufgefunden worden, die sich gerade bemühte, den Säugling mit Fencheltee zu beruhigen. „Da sind wohl alle lieben Nachbarn aus allen Ecken gekrochen“, stöhnte Lauer, als er am nächsten Morgen die Berichte der Nachteinsätze sichtete. „Sicher“, meinte Karl Hammer, „aber besser wir rücken zehnmal zu viel als einmal zu wenig aus.“ Und dann der Clou: Aus einem Kaufhaus am Westenhellweg war gegen Mittag wieder ein Baby entführt worden. Die Täterin hatte zugegriffen, als die echte oder unechte Mutter des Kindes in einer Umkleidekabine verschwunden war und die Babyschale für einen Moment nicht im Blick gehabt hatte. Alma Behrend? Nein. Die sofort alarmierte Polizei hatte eine verzweifelte 35-Jährige vorgefunden, deren nunmehr ebenfalls entführter kleiner Sohn schon zwei Monate alt war. Hammer-Charly schlug mit der Faust auf den Schreibtisch: „Verdammt noch mal, sind denn jetzt alle verrückt geworden?“
Nicht der Entführungsfall Storm, aber auch einer, dem nachgegangen werden musste. Er beschäftigte die Beamten vom K11 vier Stunden lang bis zum späten Nachmittag. Dann war die Entführerin, deren Tat eine Überwachungskamera gefilmt hatte, samt gesundem Baby gefunden. Die Frau gab an, kürzlich eine Fehlgeburt erlitten zu haben.
„Offenbar immer dasselbe“, stöhnte Charly. Er fühlte sich langsam am Ende seiner Kräfte. Das Bild der verzweifelten Katja Storm würde ihn, da war er sich ganz sicher, auch heute wieder bis in den Schlaf verfolgen. Im Geiste sah er sich bereits vor einem Stahltisch in der Rechtsmedizin stehen, auf dem ein Menschlein lag, das schon bei seiner Geburt keine Chance gehabt hatte, weil es Karl Hammer nicht gelungen war, diejenige rechtzeitig zu finden, die offenbar nicht weniger verzweifelt war als Katja Storm. In seiner Vorstellungskraft gab es nur Opfer. Wo waren die Täter? Wer würde sie zur Verantwortung ziehen?
Kapitel 17
Alma Behrend hatte die Nacht erneut in der Kleingartenlaube ihrer Eltern am Fredenbaum verbracht. Von dort machte sie sich relativ früh auf den Weg. Sie wollte zum Straßenstrich, um dort auf Jasmin zu warten. Vielleicht könnte sie die ehemalige Freundin bewegen, ihr wenigstens die Scheckkarte wieder zu geben, die sie ihr am Geldautomaten geklaut hatte. Wenn die dann noch nicht gesperrt war … Sie brauchte doch nur ein bisschen Kapital, und dann weg von hier. Endlich hatte doch auch sie eine Chance verdient.
Eine Hoffnung, die bereits am ersten Kiosk auf ihrem Weg zur Ravensberger Straße zerplatzte wie jene Seifenblasen, die ein paar Kinder vor dem Büdchen in die Luft bliesen. Alma schaute dem schillernden Nichts so fasziniert nach, dass sie fast die auf einem Ständer werbewirksam präsentierte Boulevard-Zeitung übersehen hätte. Aber nicht einmal dieses kleine Stückchen Gnade ließ ihr das Schicksal zuteilwerden. Im letzten Augenblick - sie hatte sich schon fast abgewandt - erfasste sie aus dem Augenwinkel noch unter den vier Großbuchstaben die nicht viel kleinere Überschrift der Titelstory: „Baby aus Hospital entführt! Wer hat diese Frau gesehen?“ Daneben ein Bild. Das war ja sie. Alma Behrend. Zweifelsfrei. Was behaupteten die da? Sie sollte ein Kind entführt haben? Alma blickte sich ängstlich um. Keiner beachtete sie. Noch nicht. Die Kinder spielten, und Erwachsene waren nicht da, außer dem Kioskbesitzer. Schnell weg, bevor sie ihr Marie wegnahmen. Marie war doch ihr Kind. Alma drehte schnell um und eilte wieder zurück. Noch konnte sie vielleicht unerkannt zurück in
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