Almuric
während meiner Gefangenschaft hatte mir Thab einiges erzählt, und ich war begierig, mehr zu hören von meiner neuen Heimat.
Die Kothaner und ihre Rassegenossen waren die einzige menschliche Art auf Almuric – nur weit im Süden lebte noch eine intelligente Spezies, die Yaga, die den Menschen aber nur physisch in manchem ähnlich waren. Die Kothaner nannten ihre Art ›Gura‹, was einfach unserem irdischen Begriff ›Mensch‹ entsprach. Es gab viele Stämme von Guras, und jeder bewohnte eine eigene befestigte Stadt wie Koth. Die meisten Stämme bestanden aus vier- oder fünftausend Kriegern mit einer entsprechenden Anzahl von Frauen.
Kein Bewohner von Koth hatte je den Planeten umrundet, obwohl sie bei Jagden und Kriegszügen sich manchmal sehr weit von ihrer Heimat entfernten. So waren zahllose Legenden über die unbekannten Gebiete dieser Welt entstanden, die natürlich auch ›Erde‹ genannt wurde; später übernahmen einige von ihnen meine Gewohnheit, den Planeten mit dem Namen Almuric zu bezeichnen.
Weit im Norden war das Land mit ewigem Schnee und Eis bedeckt, und menschliche Wesen konnten dort nicht leben. Die Männer erzählten Schauergeschichten, von geisterhaften Schreien, die durch die Eisschluchten hallen, von Schatten, die im immerwährenden Zwielicht über den Schnee ziehen …
Im Süden erhob sich eine ungeheure Felsbarriere, die, wie die Legende behauptete, den ganzen Planeten umspannte und deshalb einfach ›der Gürtel‹ genannt wurde. Kein Mensch hatte je den Gürtel überschritten, keiner wusste, was jenseits lag. Manche glaubten, er sei der Rand der Welt, und dahinter befinde sich der bodenlose Abgrund des Weltraums. Andere wieder behaupteten – und mir schien dies die vernünftigste Ansicht –, dass der Gürtel einfach die nördliche und südliche Hemisphäre des Planeten trenne, und dass auf der Südhalbkugel genauso Menschen und Tiere lebten. Niemand jedoch konnte diese Theorie beweisen, und man belächelte ihre Anhänger allgemein als romantische Narren.
In dem weiten Bereich der mittleren Breiten, zwischen Eisland und Gürtel, liegen die Städte der Guras. Es gibt kein Meer auf der Nordhalbkugel, nur einige Seen und Sümpfe. Die Landschaft besteht aus endlosen Grasebenen, dichten dunklen Wäldern, trostlosen Hügelketten, in denen kaum etwas wächst, und einigen größeren Gebirgen. Die Flüsse strömen fast alle nach Süden und verschwinden in Schlünden und Schluchten des Gürtels.
Es gibt keine Jahreszeiten auf Almuric, denn die Achse des Planeten ist nicht geneigt. So sind auch die Tage alle gleich lang, und, wie mir scheint, ein wenig länger als auf der Erde, aber ich kann dies nicht überprüfen, da die Guras keinerlei Uhren kennen – ein Tag ist ein Tag, und was braucht man mehr über die Zeit zu wissen? Nach zweihundertfünfzehn Tagen wiederholen sich die Phasen des Mondes, und dieser Zeitraum ist für die Menschen von Almuric ein Jahr. Andere Zeiteinteilungen kennen sie nicht.
Die Ebenen und Wälder werden hauptsächlich durch die zahllosen Bäche und Flüsse bewässert – es regnet sehr selten auf Almuric.
Die Festungsstädte der Guras liegen alle in der offenen Grassteppe, und waren ursprünglich nur Felswälle, die zur Verteidigung aufgetürmt wurden. Auch heute noch ist die Architektur auf diesen Zweck ausgerichtet, und spiegelt die barbarische Natur der Erbauer wider – Zierrat und Schnörkel werden verachtet, und die schönen Künste sind unbekannt.
Als Rasse sind die Guras den Menschen der Erde sehr ähnlich, zumindest was die Anlage des Körpers betrifft. Ihre Entwicklung hat sich wahrscheinlich in vieler Hinsicht ganz anders vollzogen als die unsere, doch davon weiß man sehr wenig. Die Guras sind eine sehr alte Rasse, auch wenn ihr unbekümmertes Barbarentum sie wie Kinder erscheinen lässt. Meiner Ansicht nach ist die Stadt Koth zumindest fünfzehntausend Jahre alt. Ihre gigantischen Mauern könnten den Elementen noch einmal solange trotzen. Die Guras selbst haben keine Vorstellung von der Evolution, niemand weiß, welches Tier Vorfahre der Rasse war (obwohl ich persönlich die Gorillas des Hügellandes für Verwandte halte), und es gibt auch keine Schöpfungslegenden. Die Guras glauben, dass ihre Rasse so wie die Ewigkeit keinen Anfang und kein Ende habe, und dass sie schon immer so gewesen seien, wie sie jetzt sind.
Am Beispiel von Koth lernte ich viel über die Menschen von Almuric – denn was für Koth gilt, trifft auch für die anderen
Weitere Kostenlose Bücher