Almuric
jetzt betrat ich die nächste Stufe der Entwicklung und wurde ein Barbar – denn das waren die Menschen von Koth, mochten sie auch in einer Stadt leben und Stahl kennen und Seide.
Zuerst aber kam mein Kampf mit Ghor dem Bären.
Man nahm mir die Fesseln ab und führte mich in eine Kammer hoch oben in einem der Türme. Dort lebte ich – noch ein Gefangener –, bis meine Verletzungen verheilt waren. Die Krieger brachten mir regelmäßig Nahrung und kümmerten sich auch um meine Wunden, obwohl diese unerheblich waren, verglichen mit denen, die mir die wilden Tiere beigebracht hatten, und die ohne jede Behandlung hatten heilen müssen. Die Besorgnis der Kothaner entsprang aber im wesentlichen dem Wunsch, mich für den Kampf mit Ghor baldigst in gute Kondition zu bringen. Siegte ich in dem Kampf, so würde ich in den Stamm aufgenommen, verlor ich – nun, in diesem Fall würde Ghor, sagten sie, von mir nur gerade genug für die Hyänen und Geier übriglassen.
Die meisten Krieger waren recht zurückhaltend und gleichgültig mir gegenüber, nur Thab der Schnelle verhielt sich freundlich. Ich sah weder Khossuth noch Ghor oder Gutchluk während meiner Gefangenschaft im Turm, und bekam auch Altha nicht mehr zu Gesicht.
Die Zeit in der Turmkammer war schrecklich für mich – nicht, weil ich mir wegen des kommenden Kampfes Sorgen gemacht hätte, sondern wegen meiner eingeschränkten Bewegungsfreiheit. Monatelang hatte ich das freie Leben eines wilden Jägers geführt, jetzt war ich in einen kleinen finsteren Raum eingesperrt – es war unerträglich, und hätte es auch nur einen Tag länger gedauert, ich glaube, ich wäre ungeachtet aller Folgen einfach ausgebrochen. Als es dann, endlich zum Kampf kam, brach alle diese erzwungenermaßen aufgestaute Energie wie die Wasserflut eines berstenden Dammes los und verbesserte meine Chancen gegen Ghor, der – das wusste ich genau – viel stärker war als ich.
Aber noch ein Vorteil lag auf meiner Seite: So barbarisch und von dauerndem Kampf erfüllt das Leben der Kothaner sein mochte, es war doch das Leben von Menschen, während ich lange genug wie ein wildes Tier gelebt hatte.
Als ich so ungeduldig in meiner Turmkammer auf und ab wanderte, dachte ich an einen Ringerchampion aus Europa, mit dem ich einmal ein kleines Privatmatch unter Freunden ausgefochten hatte. Der hatte damals bemerkt, ich sei der stärkste Mann, dem er je begegnet sei. Ich musste lächeln, als ich mir überlegte, was er jetzt zu mir sagen würde, da ich einen ungeahnten Höhepunkt meiner Kräfte erreicht hatte. Jetzt wäre es mir leicht gefallen, selbst den stärksten Athleten der Erde binnen Augenblicken in Stücke zu reißen.
Aber dem Riesen gegenüber, den sie Ghor den Bären nannten, würde ich mein Letztes geben müssen – soviel wusste ich.
Thab hatte mir über die Triumphe dieses Raubtiers in Menschengestalt erzählt. Das Leben dieses Mannes war eine ununterbrochene Folge blutrünstiger Siege. Noch nie hatte jemand unbewaffnet gegen ihn gekämpft, und es hieß, nur Logar der Knochenbrecher sei ihm gewachsen.
Logar, so erfuhr ich, war der Fürst von Thugra, einer feindlichen Stadt. Zwischen den Stadtfestungen von Almuric schien dauernder Kriegszustand zu herrschen. Zum Teil waren Stammesfehden der Anlass, meistens aber einfach die Freude am Kampf. Der Oberhäuptling von Thugra hatte sich den Beinamen Knochenbrecher in zahlreichen Schlachten erworben. Das Dolchschwert, das ich ihm abgenommen hatte, war seine Lieblingswaffe gewesen; die wundervolle Klinge sei, so erzählte Thab, von einem Schmied aus der Geisterwelt geschaffen worden. Thab nannte dieses Wesen Gorka; aus späteren Erzählungen entnahm ich, dass man sich die Gorka ähnlich vorstellt wie wir auf der Erde die Kobolde und Zwerge der alten Märchen. Thab erzählte mir noch viel über sein Volk und seinen Planeten, aber darüber will ich später berichten. Endlich kam die Stunde, da Khossuth mich besuchte und feststellte, dass meine Wunden alle völlig verheilt waren; nachdem er meinen Körper nachdenklich und mit einem gewissen Respekt gemustert hatte, erklärte er, ich könnte nun kämpfen.
Es war schon Nacht, als man mich durch die Straßen von Koth in die Arena führte. Mit Staunen betrachtete ich die riesenhaften Mauern, die rohen aufeinander getürmten Steinquadern, die ich jetzt das erste Mal richtig zu sehen bekam. Das irdische Mykene muss eine Stadt wie diese gewesen sein …
Der Kampf sollte in einer Art Amphitheater
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