Almuric
einzelnen Tages. Ich jagte, feierte und raufte mit den anderen um die Wette, als wäre ich zu diesem Leben geboren. Ich lebte voll und ganz – wie damals in den Hügeln –, aber hier hatte ich Freunde, menschliche Gesellschaft ganz nach meinem Geschmack. Ich vermisste weder Kunst noch Literatur, noch feingebildete Konversation. Mit barbarischen Gelagen feierten wir eine glückliche Jagd, einen freundschaftlichen Ringkampf, und ich feierte mit und trank das Leben in gierigen Zügen in mich hinein. Fast hatte ich schon die schlanke Gestalt vergessen, die so geduldig im großen Ratssaal gesessen und um mein Schicksal gebangt hatte.
5
Die Jagd hatte mich weit von der Stadt fortgeführt, und mehrere Nächte hatte ich allein draußen in der Ebene verbracht. Nun war ich auf dem Rückweg, aber noch viele Meilen trennten mich von Koth, das weit unter dem Horizont des Graslandes lag. Ich weiß nicht mehr, woran ich dachte, als ich so dahinschlenderte, das Gewehr im Arm – wahrscheinlich beschäftigten sich meine Gedanken einfach mit den Spuren im Uferschlamm und im Gras, mit den Geräuschen und Gerüchen, die der leichte Wind mit sich trug.
Woran immer ich dachte, ich vergaß es augenblicklich, als hinter mir ein Schrei aufgellte. Ich fuhr herum und sah eine schlanke helle Gestalt über das Gras auf mich zustürzen. Hinter ihr kam mit riesigen Sätzen ein Donnervogel dahergejagt, ein übermannsgroßer Raubvogel, einer der gefährlichsten Bewohner des Graslandes. Er sieht einem ungeheuren Strauß ähnlich, aber bei dem scharfen Krummschwert seines Schnabels hört die Ähnlichkeit auf. Diese ein Meter lange, scharfe Sichel kann einem Menschen mit einem Hieb den Leib aufschlitzen, und die klauenbewehrten Füße des Ungeheuers zerreißen ein Opfer binnen Sekunden.
Diese Bestie setzte wütend dem fliehenden Mädchen nach und würde es einholen, bevor ich beide erreichen konnte. Ich verfluchte den unglücklichen Zufall, der ein Menschenleben von meinen recht unzulänglichen Schießkünsten abhängig machte. Ich hob das Gewehr und zielte sorgfältig – ich konnte nicht einen Schuss auf den plumpen Körper der Bestie riskieren, weil ich dabei nur zu leicht das Mädchen hätte treffen können. Ich musste versuchen, den auf seinem langen Hals auf und ab ruckenden Kopf zu erwischen.
Es war mehr Glück als gutes Zielen, dass mir das tatsächlich gelang. Gleichzeitig mit dem Knall des Schusses prallte der Kopf des Untiers zurück, als sei es an eine unsichtbare Mauer gerannt. Und dann flappte das Biest noch einmal mit den Stummelflügeln, fiel um und lag still.
Im gleichen Augenblick stürzte auch das Mädchen, so als hätte mein Geschoß beide getroffen. Ich rannte erschrocken hin, beugte mich über die schlanke Gestalt und – erkannte Altha, die Tochter Zals. Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass nur Schrecken und Erschöpfung sie zu Fall gebracht hatten und sie nicht verletzt war, untersuchte ich den niedergeschossenen Donnervogel. Er war tot.
Dann drehte ich mich zu Altha um und herrschte sie an:
»Was fällt dir ein, dich allein so weit in die Wildnis zu wagen? Hast du den Verstand verloren?«
Sie antwortete nicht, sah mich nur mit ihren dunklen Augen traurig an. Ich bereute, sie so grob angefahren zu haben und kniete mich neben sie ins Gras.
»Altha – du bist ein sonderbares Mädchen, ganz anders als die übrigen Frauen in Koth! Die Leute sagen, du bist widerspenstig und tust unerklärliche Dinge. Ich verstehe dich nicht, warum setzt du dein Leben so leichtfertig aufs Spiel?«
»Was wirst du jetzt machen?« fragte sie nur.
»Nun, dich in die Stadt zurückbringen, natürlich.«
Ihre Augen brannten plötzlich mit sonderbarem Trotz.
»Oh ja, bring mich zurück – mein Vater wird mich verprügeln, aber ich, ich werde wieder und wieder fortlaufen!«
»Aber warum?« fragte ich verwundert: »Wohin willst du denn gehen? Hier draußen gibt es nur wilde Tiere, die dich verschlingen werden!«
»Wenn schon!« gab sie zurück. »Vielleicht liegt mir nichts am Leben.«
»Wieso bist du dann aber vor dem Donnervogel geflohen?«
Nachdenklich sagte sie: »Der Selbsterhaltungstrieb ist doch ein zu starker Instinkt.«
»Sag mir bloß, warum solltest du sterben wollen?« fragte ich eindringlich. »Warum? Es geht dir nicht schlechter als den anderen Frauen in Koth, und die sind glücklich!«
Sie wandte ihren Blick ab und starrte über die Ebene hinaus.
»Essen und Trinken und Schlafen sind nicht alles«, sagte sie mit
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