Almuric
Anführer unserer Bewacher trat nun vor und beugte sich tief, mit vorgestreckten offenen Händen, die Handflächen nach unten gerichtet. In dieser Haltung sprach er: »Oh Yasmena, Königin der Finsternis, hier bringen wir dir die Früchte unseres Fluges!«
Sie richtete sich auf einen Arm gestützt auf und ließ ihren Blick über die zitternden Gefangenen gleiten. Von frühester Kindheit an hören die Gura-Mädchen, dass es kein entsetzlicheres Schicksal gab, als in die Schwarze Stadt verschleppt zu werden, in das Land Yugga, über das die furchtbare Dämonin Yasmena herrschte. Jetzt sahen sie sich der Beherrscherin der Schwarzen Stadt von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Es war nicht verwunderlich, dass einige von ihnen in Ohnmacht fielen.
Aber ihr Blick strich nur gleichgültig über die Mädchen hinweg und blieb dann auf mir haften, der ich von zwei Kriegern aufrechtgehalten wurde. In ihren Augen glomm Interesse auf, und sie fragte den Anführer:
»Wer ist dieser Wilde, dessen Haut weiß ist, aber fast so haarlos wie unsere, und der wie ein Gura gekleidet ist, aber nicht wie einer aussieht?«
»Wir fanden ihn als Gefangenen in der Stadt Thugra, oh Herrin der Nacht«, antwortete er, »und wir dachten, es dir zu überlassen, ihn zu befragen. Jetzt aber geruhe bitte, die armseligen Weiber auszusuchen, die deiner Herrlichkeit dienen dürfen, damit die anderen unter die Krieger aufgeteilt werden können, die am Beutezug teilnahmen.«
Yasmena nickte, immer noch mich ansehend, und wies dann mit ein paar flüchtigen Handbewegungen auf etwa zwölf der hübschesten Mädchen, unter ihnen Altha, die zur Seite geführt wurden, während die Krieger die übrigen hinaustrieben.
Einige Sekunden musterte mich Yasmena wortlos, und wandte sich dann an einen Mann neben ihr, der eine Art Haushofmeister zu sein schien. »Gotrah, dieser Mann ist voller Staub und Blut, und er hat eine unverheilte Wunde. Sein Anblick in diesem Zustand ist mir zuwider. Lass ihn wegbringen. Er soll baden und essen und trinken. Und sieh zu, dass die Wunde verbunden wird. Dann bringe ihn mir wieder.«
Also hoben mich die zwei Krieger wieder auf und trugen mich aus dem Saal, einen Gang entlang und über eine Wendeltreppe hinunter, bis sie mich endlich in einem runden Zimmer absetzten, in dessen Boden ein Wasserbecken eingelassen war. Wasser sprudelte darin hoch wie von einer Quelle. Die beiden befestigten goldene Ketten an meinen Hand- und Fußgelenken und schnitten dann die seidenen Stricke durch. Das endlich wieder ungehindert kreisende Blut stach wie tausend Nadeln in meinen erstarrten Gliedern, und ich wurde kaum gewahr, dass sie mich in dem Wasserbecken badeten, Schweiß, Schmutz und getrocknetes Blut abwuschen und mir endlich einen Schurz aus roter Seide umlegten. Ich ließ es auch widerstandslos zu, dass sie meine Beinwunde verbanden. Dann kam ein kupferhäutiges Sklavenmädchen herein und brachte Essen in goldenen Gefäßen. Das Fleisch rührte ich aus verständlichen Gründen nicht an, aber die Früchte und Nüsse verschlang ich gierig und trank durstig von einem köstlich erfrischenden grünen Wein.
Nach dieser Mahlzeit wurde ich so schläfrig, dass ich auf die Samtpolster der Ruhebank sank, neben der man mich angekettet hatte, und augenblicklich in tiefen Schlaf fiel. Eine Hand rüttelte mich wach – es war Gotrah, der sich, ein Messer in der Hand, über mich beugte. In instinktiver Selbstverteidigung tat ich mein Bestes, ihm den Schädel einzuschlagen, aber meine Faust wurde durch die in der Wand verankerte Kette zurückgerissen. Mit einem Fluch sprang er von mir weg.
»Ich bin nicht gekommen, um dir die Kehle durchzuschneiden, haarloser Barbar«, schnappte er, »obwohl ich nichts lieber täte. Das Mädchen aus Koth hat Yasmena erzählt, dass du sonst die Haare in deinem Gesicht abrasiert hast, und die Königin wünscht dich so zu sehen. Hier, nimm dieses Messer, um dein Gesicht glattzuschaben. Die Klinge hat keine Spitze, und ich werde aus deiner Reichweite bleiben. Hier ist ein Spiegel.«
Immer noch ziemlich benommen – der grüne Wein musste aus unerfindlichen Gründen ein Schlafmittel enthalten haben – lehnte ich den Spiegel aus poliertem Silber gegen die Wand und ging meinen Bart mit der schärfsten Rasierklinge an, die ich je in den Händen gehabt hatte. Aber auch damit war das während meiner Gefangenschaft in Thugra üppig gesprossene Haargestrüpp nicht leicht zu beseitigen, und ich war für meine zu unempfindlichem Leder
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